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Tag 13: Ciudad Bolivar - Kavac (Auyan Tepui)

Bereits um 4 Uhr am Morgen heißt es heute aufstehen, um rechtzeitig am Flughafen von Ciudad Bolivar sein zu können. Unsere persönlichen Gepäckmengen haben sich für die nächsten Tage deutlich reduziert, denn wir brauchen das Gepäck nur für 5 Nächte. Mitnehmen müssen wir aber auch unsere Verpflegung, denn zu unserem heutigen Ziel ist die Anreise nur per Flugzeug möglich, oder alternativ auch über sehr viele und lange Umwege per Boot.

Wir werden mit mehreren kleinen Cessnas nach Süden zur Ansiedlung Kavac südlich des fast 800qkm großen Tafelbergs Auyan Tepui fliegen und von dort aus eine mehrtägige Bootstour auf den Flüssen Rio Acanan, Rio Carrao und Rio Churun zum Salto Angel, den höchsten Wasserfall der Welt, unternehmen und dann weiter bis nach Canaima, dem Einfallstor in die venezolanische Welt der Tafelberge in der großen Ebene, der Gran Sabana im Hochland von Guyana.

Zeitig nach 7 Uhr starten wir auf mehrere Flugzeuge verteilt die Reise in den straßen- und pistenlosen Süden von Venezuela. Nach einer guten Stunde Flugzeit gibt es auch die ersten Tafelberge zu erblicken, sie sind aber meist in Wolken oder Nebel gehüllt.

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Aufziehende Nebelfronten am Auyan Tepui

Für den Fall von guten Wetter- bzw. Sichtbedingungen haben die meisten von uns einen Überflug über den 972m hohen Salto Angel gebucht, aber heute haben wir dazu einfach das falsche Wetter. Wir umfliegen den 2100m hohen und fast 800qkm großen Tafelberg an seiner Ostseite und erreichen gegen 9 Uhr die winzige Graspiste von Kavac. Die wenigen Hütten von Kavac sind dabei nichts anderes als ein von den hier ansässigen Pemon-Indianern betriebenes Camp ohne dauerhafte Bewohner am Fuße des Tafelbergs.

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Landepiste von Kavac

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Kavac am Fuße des Auyan Tepui

Nach der Landung müssen wir zunächst unsere komplette Ausrüstung und Verpflegung aus den Flugzeugen ausräumen, da die Flugzeuge anschließend wieder starten und zurück nach Ciudad Bolivar fliegen.

Ein Abenteuer 200km abseits jeglicher befestigter Straße kann beginnen.

Als Erstes beziehen wir unser Zimmer für heute. Es gibt aber nur ein Zimmer für uns alle und unsere Betten werden erst aufgebaut. Wobei Betten eigentlich der falsche Ausdruck ist, die nächsten Übernachtungen werden in Hängematten stattfinden, für mich und fast alle von uns erstmalig im Leben. Strategisch gedacht sichere ich mir eine Hängematte an einem der beiden Durchgangsöffnungen der Hütte. Man weiß nie, ob man später schnelle Fluchtmöglichkeiten zu bestimmten Örtlichkeiten braucht. Nach einer Unterweisung, wie man sich richtig in Hängematten bettet (diagonal und nicht längs), ist zunächst eine Erholung bis zum Mittagessen angesagt. Das Essen im Kavac-Camp wird von Indianerfamilien aus dem benachbarten Ort Kamarata in einer „Küchenhütte“ in vorzüglicher Weise gekocht.

Nach einer Mittagssiesta wollen wir eine Wanderung in den Kavac Canyon, der Cueva de Cavac, durchführen, der nur etwa 1km von Kavac entfernt seinen Eingang hat. Nach gut 30 Minuten sind wir am Eingang des Canyons, wo das Wasser bereits über einige kleine Wasserfälle fließt. Hier würde der Weg weiter in eine fast 100m hohe und sehr enge Schlucht führen. Da die Wolken am Himmel eher etwas Regen ankündigen, verzichte ich noch tiefer in den Canyon einzusteigen bzw. genauer genommen einzuschwimmen und warte am Eingang auf die Rückkehr der Anderen. Diesbezüglich habe ich heute meinen Feiglingstag eingelegt.

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Kleiner Wasserfall am Eingang zur Cueva de Kava

Am zeitigen Nachmittag sind wir wieder in Kavac zurück und vertreiben die Zeit bis zum Abendessen mit Faulenzen. Das Essen wird wieder von Pemon-Indianerfamilien aus dem benachbarten Ort Kamarata gekocht. Die Mahlzeit schmeckt vorzüglich und das Lagerfeuer ist schon angerichtet. Am Sternenhimmel stört fast kein Fremdlicht den Anblick, wir sind mitten in der Abgeschiedenheit. Leider kann ich das Lagerfeuerleben heute nur bedingt genießen, dringendere Geschäfte haben jetzt für mich Vorrang. Diese lassen sich glücklicherweise problemlos erledigen, denn die sanitären Anlagen sind für die Abgeschiedenheit der Anlage in einem hervorragenden Zustand (die besten öffentlichen WCs in ganz Venezuela). Dass ich in der kommenden Nacht diesen Ort noch zur Genüge austesten darf, ist mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt.

Gegen 22 Uhr ist dann Nachtruhe angesagt und die erste Übernachtung in einer Hängematte kann ihren Anfang nehmen. Aber es vergeht mehr als eine halbe Stunde, bis auch der/die Letzte seine Stirnlampe ausmacht und Ruhe im Schlafsaal einkehrt. Aufgrund meiner dringenden Geschäfte ist meine Hängematte am Eingang eine gute Investition und die Anderen werden hoffentlich nicht zu oft zu sehr gestört.

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Kavac - Schlafsaal mit Hängematten und Moskitonetzen

Wider Erwarten lässt sich eine bequeme Lage in der Hängematte finden. Aber warum werden meine Arschbacken immer so kalt, wenn ich mich in der Hängematte drehe? Die Lösung des Problems ist schnell gefunden, die Befestigungsstricke der Matte hatten sich etwas gelöst, waren meine Maßnahmen zur persönlichen Gewichtserleichterung durch die WC-Sitzungen doch noch nicht ausreichend. Nach einer Nachjustierung der Stricke ist einem hoffentlich erholsamen Schlaf zwischen den Sitzungen nichts mehr im Wege.

Tag 14: Kavac - Rio Acanan (Auyan Tepui)

Von Lasten befreit wache ich erholt zum Sonnenaufgang auf. Bis zum Frühstück ist zwar noch etwas Zeit, die Unruhe im Schlafsaal nimmt aber immer mehr zu. Irgendwie kaum vorstellbar, dass kaum 12 Personen soviel Plastiktüten zum Rumwühlen dabei haben können. Um halb acht ist dann Frühstück angesagt.

Im Anschluss daran kommt auch schon Jose, unser indianischer Guide für die nächsten Tage. Mit einem Toyota Landcruiser, das einzige Auto im Umkreis von vielen Kilometern, wird unser Gepäck ins 8 Kilometer entfernte Kamarata zum Startpunkt der Bootstour transportiert. Wir machen uns aber zu Fuß auf den Weg in den “Nachbarort”. Der Weg dorthin ist kaum zu verfehlen, denn die einzige Fahrspur in 100 Kilometer Umkreis führt direkt nach Kamarata.

Bei Temperaturen in den Dreißigern sind wir in der savannenartigen Ebene südöstlich des Auyan Tepui unterwegs. Beim Blick zurück nach Kavac weichen die Wolken immer mehr nach oben aus, sodass nun erstmalig fast die Oberkante des Auyan Tepui zu erkennen ist. Irgendwie deplaziert wirkt ein Hügel mit seinem rasengrüner Kurzrasen mitten in der sonst ebenen Landschaft.

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Blick zurück nach Kavac und Auyan Tepui, die einzige Fahrspur im Umkreis von 100km

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Irgendwie deplaziert der rasengrüne Hügel mitten in der Wildnis

Nach gut 2 Stunden kommen wir in der Siedlung Kamarata an. Wie Kavac, so hat auch Kamarata eine eigene Landepiste, die auch für mehr als nur für Cessnas wie in Kavac taugt. Zum Mittagessen treffen wir uns auf der Terrasse von einem Haus in der Ortsmitte. Das Essen wird von der Pemon-Gemeinde gekocht und schmeckt selbstverständlich vorzüglich. Der Ort Katamata selbst wurde in den 1950-er Jahren als Missionsstation gegründet und hat auch heute noch Schul- und Gesundheitseinrichtungen.

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Auyan Tepui von Kamarata aus gesehen

Nach einem ausgedehnten Mittagsmahl heißt es nun nochmals etwa einen Kilometer bis zum Ufer des Rio Akanan zu wandern, wo wir mit den Bootsmannschaften zusammentreffen werden. Für uns 13 Touristen und einen Reiseleiter sowie die 7 Mann der Bootsmannschaft werden es insgesamt 2 Boote sein. Die Boote sind Einbäume, also aus einem einzigen Baum gefertigt und anschließend mit Spanten verstärkt und lackiert.

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Landungsbrücken bei Kamarata

Im Heck des Bootes ist dabei ein Außenbordmotor angebracht, der Bezeichnung nach zu urteilen mit 48PS. Ganz vorne im Boot sind 2 Crew-Mitglieder als Ausguck und Notpaddler, im Heck ist dann der Steuermann. Vor dem Steuermann ist die Fracht untergebracht, eingewickelt in einer Plastikplane. Die Fracht besteht aus unserem Gepäck, den aus Ciudad Bolivar eingeflogenen Essensvorräten, Trinkwasser und den Spritvorräten. Davor sitzt dann die zahlende Kundschaft in Zweierreihen.

Da einer der indianischen Steuermänner unverkennbar einem Hollywood-Star ähnelt, hat er von uns schon seinen Namen weg, er wird unser Charles Bronson werden. Es ist einer von wenigen Indianer mit Oberlippenbart.

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Unser “Charles Bronson” in Aktion an einer Stromschnelle

Nachdem die Sitzvergabe in den Booten geklärt ist, kann nun das Bootsabenteuer der nächsten vier Tage beginnen.

Heute werden wir uns dabei nur auf dem Rio Akanan fortbewegen. Der Fluß selbst ist meist kaum breiter als 50 Meter, oft befindet sich aber auch baumhaltiger Abfall in den Gewässern. Zumeist sind die Uferseiten stark bewachsen und erhöht, sodass ein Anlegen am Ufer nur an wenigen Stellen möglich wäre. Mäanderförmig schlängelt sich dabei der Rio Akanan um den “Ostflügel” des Götterberges Auyan Tepui herum.

Kaum zu glauben, dass dieser riesiger Tafelberg zumeist aus Sandstein besteht und nur oben durch eine ehemals extrem harte Oberflächenschicht vor der Verwitterung geschützt ist. Kaum zu glauben ist auch, dass er erst vor gut 80 Jahren entdeckt wurde. Wenn man aber bedenkt, dass es im Süden Venezuelas die Nebelberge mit mehr als 1000m tiefen Canyons gibt, die erst vor wenigen Jahren entdeckt wurden, dann ist der Auyan Tepui dazu schon ein alter Hase.

Die nächsten Stunden sind wir meist auf dem Boot unterwegs, Nässe von oben in Wolkenform kündigt sich zwar immer wieder an, von oben bleiben wir aber vom Wasser verschont. Auch von unten sind die Boote dicht. Nur vom Fluss selbst schwappt wegen der zügigen Fahrtgeschwindigkeiten und wegen so manchem Strudel im Fluss manchmal doch etwas Wasser ins Boot. Aus Sicherheitsgründen habe ich meine Kamera verpackt, somit gibt es leider von den “Wasserfahrten” keine Bilder von mir.

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Stromschnellen am Rio Akanan

An einer Stromschnelle müssen wir aus den Booten aussteigen und das Hindernis umwandern, unsere Bootsmannschaft setzt in gekonnter Machart über die Stromschnellen, teils durch Rudern, teils mit aus dem Wasser ausgehobenen Außenbordmotor. Am zeitigen Nachmittag erreichen wir unser Tagesziel Camp Iwana Meru, gelegen an einer Stromschnelle mit unverbaubarem Blick auf einen weiteren Tafelberg, den Amaruai Tepui.

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Amaruai Tepui und Stromschnellen am Rio Akanan beim Camp Iwana Meru

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Amaruai Tepui und Stromschnellen am Rio Akanan beim Camp Iwana Meru

Das Camp besteht aus drei vierseitig offenen Hütten, unserer Schlafhütte, der Ess- und Kochhütte, sowie der Schlafhütte der Begleitmannschaft, alle Hütten mit einem Sandboden ausgestattet.

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Camp Iwana Meru am Rio Akanan, auf der Kloschüssel sitzend fotografiert

Leicht abseits ist ein zusätzlicher Bretterverschlag, ein WC. Es ist kaum zu glauben, mitten in der Wildnis gibt es eine Kloschüssel mit Klobrille, die mit Abstand saubersten und geruchsneutralsten Toiletten außerhalb von Hotelzimmern in ganz Venezuela! Nur die Wasserspülung wirkt dagegen etwas improvisiert: Außerhalb der Hütte befindet sich eine Regenwassertonne und 2 Eimer zum Wasserschöpfen. Der Eimerinhalt dient dann als Spülung. Problematisch könnten für manch einem die wechselnde Anzahl von Untermietern im Klo sein, sei es Gecko oder Skorpion, Fledermaus oder Vogelspinne. Aber auch diese kleinen Unpässlichkeiten kann jeder von uns meistern.

Von Jose wird ein vorzügliches Abendessen bereitet und im Kerzenlicht können wir in der Abgeschiedenheit der Wildnis viele Stunden verbringen. Aber warum so manch einer von uns mehr als 30 Minuten Taschenlampenlicht für den Gang zum Schlafen in der Hängematte braucht, ist doch etwas verwunderlich. Wird da jede Ritze des Moskitonetzes einzeln inspiziert, will man jeder Mücke persönlich gute Nacht sagen? Die Flüsse um den Auyan Tepui sind meistens sogenannte “Schwarzwasserflüsse”, also Flüsse mit wenig Nährstoffen, damit also auch Gebiete mit wenigen Mücken. Die bräunlich-schwarze Farbe kommt dabei vom im Wasser enthaltenen Gerbstoff Tannin.

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Gewitter und Sonnenuntergang am Auyan Tepui

Eigentlich hatte ich beim Schlafen in Hängematten mit weniger Abgeschiedenheit zu Mattennachbarn gerechnet, aber kaum ist man in seiner Hängematte drin, dann ist man in einer Welt für sich. Wäre nicht die Abkühlung von unten durch den leichten Wind, dann könnte ich auf den Schlafsack komplett verzichten. Nur zum Wärmen der Beine liegen diese bei mir auf dem zusammengeknüllten Schlafsack . Wie es da so manch einer von uns im komplett geschlossenen Schlafsack und in Montur Langarm/-bein aushalten kann, bleibt mir ein Rätsel.

Tag 15: Rio Acanan - Rio Carrao (Auyan Tepui)

Bereits kurz nach 5 Uhr beginnt es in unserer offenen Schlafhütte wieder unruhig zu werden. Wer zählt denn jetzt schon wieder seine raschelnden Plastiktüten nach? Die Morgentoilette ist doch hier in wenigen Minuten erledigt. Die Sitzung ist im Openair-WC und geduscht wird im Rio Akanan. Grundsätzlich als Mann nur in Badehose. Weniger aus Gründen des Erregens von öffentlichen Ärgernissen, als viel mehr dem männlichen Eigenschutz. Im Orinico und Amazonas gibt es Candirus und Vandellias, welsartige Fische, die von Harnsäure angelockt werden. Diese meist nur 1-2mm dicken und mehrere Zentimeter langen Fische können sich dabei irrtümlicherweise äußerst schmerzhaft in harnführenden Leitungen verbeißen und von dort nur noch operativ entfernt werden. Auch wenn wir uns hier ganz weit weg vom Orinoco-Becken befinden, austesten muss man diesen Fall wirklich nicht.

Nach dem Frühstück machen wir uns wieder auf die Bootsreise, wobei unsere erste Etappe nicht allzulange dauert. Wir legen nach kurzer Fahrt am Ufer wieder an und wollen eine Überlandwanderung durchführen. Am Uferbereich ist hier nur ein Galeriewald, das “Hinterland” ist steppenartig. Rechter Hand ist der Amaruai Tepui und vor uns die ebene Savanne. In der Entfernung ist etwas metallisch Glänzendes zu sehen und das hier mitten im Nirgendwo? Je näher wir daran kommen, desto leichter ist die Silhouette einzuordnen, es handelt sich um ein Flugzeugwrack einer Douglas DC3. Das Flugzeug musste vor vielen Jahren hier notlanden. Die beiden Motoren und auch alles Verwertbare aus dem Innenleben sind nicht mehr vorhanden. Mangels einer Startmöglichkeit wird sie noch lange hier verharren dürfen.

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Notgelandete DC3 mitten im Dschungel

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Blick aus dem Innern der notgelandete DC3 auf den Amaruai Tepui

Wieder im Galeriewald angekommen geht es auf die Boote, die Reise um die Ostseite des Auyan Tepui kann weiter gehen. Zunächst noch auf den Rio Akanan, ab dessen Mündung dann auf die Rio Carrao. Unsere Mittagsrast legen wir an einer der unzähligen Flußbiegungen ein.

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Mittagsrast am Rio Carrao mit Auyan Tepui

Ein Bootsverkehr ist hier kaum vorhanden, nur 2 oder 3 einheimische Motorboote sind wir bis jetzt begegnet, und in unserer Richtung ist niemand unterwegs. Erst Morgen an der Abzweigung zum Rio Churun, werden wir auf die Salto-Angel-Autobahn der gehäuften Ankömmlinge aus Richtung Canaima einbiegen.

Das Mittagessen ist wieder hervorragend und die Reise kann weiter gehen, aber wird das Wetter noch durchhalten? Bis jetzt hatten wir am weißblauen Himmel fast nur Sonnenschein, aber jetzt sind auch Regenwolken zu sehen, je nachdem wie sich der Rio Carrao mal wieder herumschlängelt.

Am zeitigen Nachmittag erreichen wir unser heutiges Tagesziel, das Camp Arenal, etwa 100m entfernt und etwas über dem Rio Carrao gelegen, mit Blick zum Wei Tepui und in das Herz der Nordflanke des Auyan Tepui.

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Stromschnellen am Rio Carrao, Wei Tepui beim Camp Arenal

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Aussicht vom Camp Arenal bei Sonnenschein

Kaum sind die Boote entladen und in der vierseitig offenen Hütte des Camps mit Holzbooten verstaut, ist es vorbei mit dem schönen Wetter, ein wahres Regeninferno nimmt seinen Anfang. Es beginnt in für die meisten Mitteleuropäer nicht vorstellbaren Mengen zu regnen, gepaart mit Blitz und Donner. Zwischen Blitz und Donner sind kaum eine Sekunde und mehre Donner pro Minute und dies fast eine Stunde lang.

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Tropischer Nieselregen (>200l/qm in kaum einer Stunde)

Sofort zum Beginn des Gewitters bauen wir die Hängematten wieder ab und verstauen sie wieder. Wir sind zwar hier fast im Trockenen, aber irgendwann kommt dann ein Windstoß und alles in der geschätzt 20x40m großen Hütte ist nass. In einem von mir vor der Hütte bereitgestelltem Eimer lassen sich nach dem Gewitter 25cm Wasserhöhe messen, also waren es zwischen 200 und 250l Regen je Quadratmeter in einer Stunde. Auch unsere Boote sind fast bis zur Sinkgrenze mit Wasser gefüllt. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie nass wir geworden wären, wenn wir dieses Gewitter live auf dem Rio Carrao erleben hätten müssen, ohne die Möglichkeit an Land zu gehen.

Nach dem Tropengewitter wechseln sich wieder Sonne und Regen ab. Jetzt wissen wir auch, warum die Hütte einen Holzboden auf Stelzen hat, unter dem Boden ist die Wasserabfuhr. Auch heute gibt es wieder ein Außen-WC analog dem Camp Iwana Meru vom Vortag.

Bereits gestern habe ich mich darüber gewundert, dass unser Guide Jose das Essen alleine zubereitet, fast ohne Mithilfe seiner Mannschaft. Er erklärt uns, z.T. auch in deutscher Sprache, dass er nicht mit seiner Stammmannschaft unterwegs ist. Seine “Ersatzmannschaft” kann zwar super mit den Booten umgehen, nur die Hausarbeit ist ihnen doch sehr fremd. Zitat von Jose: “Das tue ich mir nicht an, ihnen stundenlang zu erklären, wie man Tomaten schneidet. Die schneiden sich den Finger ab und dann haben wir den Salat!”. Seine Stammmannschaft verdient sich aktuell ihren Unterhalt in den 100km entfernten Gold- und Diamantenminen im venezolanischen Süden.

Tag 16: Rio Carrao - Salto Angel (Auyan Tepui)

Mit einem weißblauen Himmel empfängt uns der heutige Morgen. Zeitig brechen wir unsere Lager am Camp Arenal ab und begeben uns in die beiden Boote. Die Bootsreise führt uns zunächst weiter flußabwärts auf dem Rio Carrao bis zur Einmündung des Rio Churun in den Rio Carrao. Am Flußufer haben unsere Bootsführer ein Depot für den Spritnachschub angelegt und die leeren Kanister werden hier zwischendeponiert. Bei ihrer späteren Rückreise von Canaima nach Kamarata werden sie die leeren Kanister in Canaima auftanken, da dies die nächstgelegene und einzige Versorgungsstelle im weiten Umkreis ist.

Ab jetzt sind wir flußaufwärts auf dem Rio Churun unterwegs, die fast senkrechten Seitenwände des Auyan Tepui rücken immer näher an den Fluß heran, wie klein fühlt man sich hier in der Natur. Erstmals gibt es auch touristischen Gegenverkehr . An einer Stromschnelle müssen wir wieder aussteigen und diese an Land umwandern. Je nach Wasserstand des Rio Churun kann dies noch öfter möglich sein. Es sind zwar seit dem Ende der Regenzeit erst einige Wochen vergangen, die Wasserstände im Rio Churun sinken aber rapide. Aber unsere Bootsführer finden immer noch einen Weg um die Felsbrocken herum und es schwappt auch nicht zuviel Wasser ins Boot. An einer flachen Stelle im Rio Churun geht es aber mit Motorkraft wirklich nicht mehr weiter, die Boote müssen hier mit Muskelkraft flußaufwärts gezogen werden. Bei Touren später im Jahr sind dann wesentlich mehr “Landpassagen” im Programm.

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Nur noch mit Muskelkraft geht es weiter am Rio Churun

Gegen 11 Uhr erreichen wir aber alle wohlbehalten unser heutiges Camp direkt gegenüber dem Salto Angel. Direkt heißt hier, dass er gut 1-2km von uns entfernt ist, die Aussicht auf den fast 1000m hohen Wasserfall jedoch unverbaubar ist. Nach einer Mittagsrast wollen wir uns auf den Weg zum Fuße des Wasserfalls machen. Unser Camp ist wieder eine vierseitig offene überdachte Hütte mit Sandboden und festen Sanitäranlagen.

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Salto Angel direkt vom Camp aus gesehen

Der Salto Angel ist nach seinem Wiederentdecker, dem US-Amerikaner James Crawford Angel benannt. Er entdeckte ihn als er im Jahre 1933 mit seinem Flugzeug den Rio Churun entlang flog. Im Jahre 1937 wagte er eine Landung auf dem Auyan Tepui, konnte von dort aus mit seinem Flugzeug nicht mehr starten und brauchte 11 Tage bis er wieder vom Auyan Tepui abgestiegen war. 1970 wurde das Flugzeug geborgen und steht nun vor dem Flughafengebäude der Stadt Ciudad Bolivar.

Um zum Wasserfall gelangen zu können, müssen wir den Rio Churun überqueren. dazu sind unsere Boote notwendig, da die Strömung für eine Querung “zu Fuß” in der Flußmitte zu stark ist. Am anderen Flußufer angelangt beginnt weiter flußaufwärts der Pfad zum Fuße des Wasserfalls. Typisch venezolanisch ist nichts beschildert und wirklich eindeutig ist der Weg auch nicht immer. Bergauf ist er aber einfacher, da man leichter auf den unzähligen Luftwurzeln der Bäume balancieren kann. Nach mehr als einer Stunde Wanderung erreichen wir den Mirador (Aussichtspunkt) auf den Wasserfall, der über zwei Stufen fast 1000m nach unten abfällt.

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Salto Angel 970m Fallhöhe

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Am Auslauf des Salto Angel

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Blick vom Fuße des Salto Angel zur Gegenseite des Auyan Tepui

Am Aussichtspunkt lässt sich die Ruhe genießen, erst zu viert sind wir für die nächste Stunde, der Rest unserer Gruppe ist noch auf der Strecke unterwegs. Und andere Besucher sind aktuell auch noch nicht da. Zeitig verlassen wir den Aussichtspunkt wieder und machen uns auf den anstrengenden Weg nach unten, die Luftwurzeln lassen grüßen. Gegen 17 Uhr sind wir wieder in unserem Camp zurück. Statt der Wanderschuhe gibt es jetzt wieder die Sandalen.

Was mir heute schon bei meinen Füssen auffällt ist, dass an meiner rechten großen Zehe eine nasse Stelle ist, der Rest aber im wahrsten Sinne staubtrocken ist. Einen Umstand, den ich aktuell noch keiner besonderen Bedeutung beimesse . Zwei Wochen nach Reiseende muss ich dann an dieser Stelle am Zeh und an der linken Achillesferse zwei Eigenbedarfskündigungen aussprechen, denn mit den beiden unter der Haut eingegrabenen bzw. eingefressenen 5mm großen Sandflöhen (lat.: tunga penetrans) möchte ich nichts mehr zu tun haben. Und es wird Wochen dauern, bis die von den Sandflöhen “herausgefressenen” Löcher in der Haut wieder verwachsen sind.

Meinen Badeort im Rio Churun versetze ich auch etwas flußaufwärts zur ursprünglichen Wahl, denn das Abflußrohr des WCs an unserem Camp mündet direkt in den Fluß.

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Camp am Rio Churun

Während der Vorbereitung zum Abendessen kommt Reiseleiter Thomas zu mir und fragt nach, ob man die gepökelten schnitzelähnlichen Fleischstücke im Kochtopf noch essen kann, da sie doch schon einen leichten Geschmack haben und Jose diese nicht ungefragt verwenden möchte. Ich sage ihm, dass ich diese selbst bedenkenlos essen würde. Wenn er sich aber sicherheitshalber Ärger ersparen will, dann sollten wir sie nicht mehr verwenden. Bis jetzt ist die Gruppe zwar homogen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass ein Essen mit einem “Geschmäckle” die Initialzündung für mentale Ausfallerscheinung werden kann, ist alles andere als gering. Eine Lappalie kann hier ein Fass zum Überlaufen bringen . Unsere Begleitmannschaft freut sich dafür dann aber riesig über die unerwartete Fleischkost und keiner von uns beschwert sich über das vegetarische Essen.

Nach einem geruhsamen Abend steht uns nun die letzte Nacht mitten in der Wildnis bevor.

Tag 17: Salto Angel - Canaima

Als es am Morgen langsam etwas heller wird, wache ich auf. Vor meiner Hängematte sind Stimmen zu hören. Stimmen in einer osteuropäischen Sprache. Eine mehrköpfige Gruppe will den Sonnenaufgang am Salto Angel genießen, kaum einen Meter von meiner Hängematte entfernt. An ein Ausschlafen ist bei dieser Geräuschkulisse natürlich nicht mehr zu denken.

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“Salto-Glühen”, kurz nach 6 Uhr direkt von der Hängematte aus fotografiert

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“Salto-Glühen”, kurz nach 6 Uhr direkt von der Hängematte aus fotografiert

Der anschließende Sonnenaufgang zeigt sich aber von seiner schönsten Seite auch wenn der Wasserfall nicht zur Gänze wolkenfrei ist. Nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg mit den Booten in Richtung Canaima, den Hauptort weit und breit. Zunächst fahren wir wieder den Rio Churun flußabwärts bis zu seiner Mündung in den Rio Carrao. Am Spritdepot nehmen wir die leeren Kanister mit auf und fahren weiter flußabwärts den Rio Carrao. Vereinzelt kommen uns Boote mit Touristen entgegen. An den Rapidos de Mayupa müssen wir wieder aussteigen, denn das Durchfahren mit Touristen ist nicht mehr erlaubt. Wir wanderen über Land und steigen anschließend wieder in die Boote ein und fahren weiter bis zum Oberlauf des Salto El Sapo, der hier 50m tief in die Lagune von Canaima abfällt.

Über einen Trampelpfad geht es hinunter zum Fuße des Wasserfalls, wo man unmittelbar hinter den Wasserfall an den herabstürzenden Wassermassen durchgehen kann. Im Anschluß daran genehmigen wir uns ein verspätetes kaltes Mittagessen und fahren mit den Booten weiter bis zum Endpunkt unserer Bootsreise am Puerto Ucaima unmittelbar oberhalb des Ortes Canaima und vor den Stromschnellen in die Lagune. Hier verabschieden wir uns zum Sonnenuntergang von unserer Begleitmannschaft und teilen die verbliebenen Lebensmittelreste auf. Zu Fuß geht es weiter in unsere Posada im Ort Canaima, die Zivilisation hat uns wieder.

Canaima selbst ist fast rein touristisch geprägt und ein Versorgungsort für die Umgebung. Die meisten Güter müssen per Flugzeug eingeflogen werden oder umständlich über verschiedene Flüsse transportiert werden. Die letzte Piste endet viele Kilometer vor Canaima irgendwo im undurchdringlichen Urwald.

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Stromschnellen an der Laguna Canaima bei Puerto Ucaima

Nach dem Abendessen genehmigen wir uns noch einen Absacker in einer Außenbar einer Hotelanlage unmittelbar an der Lagune.

Tag 18: Canaima - Ciudad Bolivar

Erst zur Mittagszeit sollen wir heute mit 3 kleinen Cessnas wieder zurück nach Ciudad Bolivar fliegen und den beim Hinflug nicht möglichen Flug über den Salto Angel nachholen. es bleibt also noch viel Zeit den Ort Canaima zu erkunden.

Da es relativ trocken ist, dürfte es heute keine Schlammschichten an den Schuhen geben, denn die allermeisten Straßen sind ungeteert, es gibt manchmal sogar Gehsteige. Ein Großteil der Häuser sind Hotels und Lodges, der kleine Flugplatz mit asphaltierter Piste schließt sich unmittelbar an den Ort an. Der Flugplatz ist auch das Einfallstor der Touristen, da hier auch 50-Sitzer landen können. Viele bleiben nur eine Nacht oder unternehmen eine 1- oder 2-Tagestour zu den Wasserfällen. kaum jemand unternimmt die Tour um den Auyan Tepui herum. Auch Aufstiege auf den Auyan Tepui sind selten, keine 10 Gruppen im Jahr.

Canaima hat auch eine Strandpromenade am Sandstrand der ortseigenen Lagune, heute ist aber dort kaum jemand zu sehen. Da auch die Größe von Canaima beschaulich ist, trifft man beim Spazieren gehen öfters die gleichen Personen.

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Stromschnellen an der Laguna Canaima

Rechtzeitig treffen wir am Flughafencasino ein und warten auf unsere Flugzeuge bzw. auf unsere Piloten. Da kaum Wolken am Himmel sind, sollte auch der Flug über den Salto Angel möglich sein. Wie wird dort oben auf dem Tafelberg die Landschaft sein? Sie wird anders sein, wie ich es erwartet habe. Vom Flugzeug ist zu erkennen, dass es dort oben Wälder, Steppen und auch Sümpfe gibt, manchmal auch zerklüftete Felsformationen. Und aus einem kleinen Rinnsal entwickelt sich der Salto Angel, kaum zu glauben, dass ein kleiner Bach den höchsten Wasserfall der Welt speist.

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Auyan Tepui und Salto Angel

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Abbruchkante des Auyan Tepui und Salto Angel

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Aus diesem Rinnsal wird der Salto Angel

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Zerklüftete Landschaft an der Abbruchkante des Auyan Tepui und Salto Angel

Auch der Rio Churun wirkt etwas verloren in der sonst nur urwaldähnlichen Landschaft, vom Einfluss des Menschen ist kaum etwas zu sehen. Dieser Umstand ändert sich auch auf den nächsten Flugkilometern nicht. Erst nach einer halben Flugstunde auf dem Rückweg sind die ersten von Menschenhand geschaffenen Wege zu sehen und auch eine Mine zu sehen.

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Rio Churun und Urwald

Wohlbehalten erreichen wir alle wieder den Flughafen von Ciudad Bolivar. Vor dem Flughafengebäude für die allgemeine Luftfahrt steht auch der geborgene Flieger von Jimmy Angel aus dem Jahre 1937.

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Flugzeug von Jimmy Angel mit dem er 1937 auf dem Auyan Tepui landete

Im Anschluss fahren wir weiter zu unserer Posada Casa Grande in die Altstadt von Ciudad Bolivar.

 

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