Tag 1: Deutschland - Chicago

Kaum eine Minute habe ich heute Nacht geschlafen, als mir mein Wecker das Zeichen zum Aufstehen mitteilt, es ist kaum halb vier Uhr morgens. Mit fast 70 Personen, die meisten kaum mehr als 100km von meinem Heimatort wohnhaft, will ich heute den Versuch starten, der “Neuen Welt” einen Besuch abzustatten. Da auch bei uns gut 30°C am Vortag herrschten und der mittlere Westen für seine hohen Temperaturen bekannt ist, habe ich mich auch für die USA auf Hochsommer eingestellt.

Der Bus holt mich fast vor der Haustüre ab und wir starten zum Flughafen nach München. Obwohl ich alles x-mal überprüft habe, muss ich feststellen, dass ich doch nichts vergessen habe. Das Einchecken für uns 70 Mann dauert zwar etwas, aber jeder bekommt seinen Sitzplatz im Flieger. Mit der KLM fliegen wir zunächst nach Amsterdam, wo wir dann für den Flug nach Chicago umsteigen sollen. Rechtzeitig startet dann unsere Boeing 747 und der 8stündige Flug kann beginnen. Schon nach einer halben Stunde starten die ersten Trekkingtouren einiger Mitreisenden in den Gängen des Flugzeugs, und dass es Fernseher im Flugzeug gibt, war mir bis jetzt auch unbekannt.

In der freudigen Erwartung bei hochsommerlichen Temperaturen in Chicago im Staate Illinois landen zu dürfen, machen wir uns daran, das Flugzeug in Chicago zu verlassen. Die meisten von uns sind auf Shorts eingestellt, sodass die Außentemperatur von 8°C um 2 Uhr nachmittags für viele von uns zu einem Gänsehautfestival ausartet. Bei der Einreise erlebe ich die ersten Probleme, nicht deshalb, weil ich keine Verbesserungsvorschläge zum schnelleren Ausfüllen des grünen Einreiseformulars machen kann (füllt man nur aus, wenn das blaue nicht rot anläuft und die schwarze Tinte sich vom weißen Hintergrund abhebt, oder so ähnlich), sondern es hat einen ganz anderen Grund: Mein Rufname, auf dem mein Ticket ausgestellt ist, ist mein zweiter Name im Reisepass, sodass es mich eine ziemliche Überzeugungsarbeit kostet, das Ich auch Ich selbst bin.

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Chicago, Wasserturm, der das verheerende Feuer von 1895 überstanden hat

Sears Tower

Bereits beim Warten am Einreiseschalter konnte ich feststellen, dass irgendjemand unsere Koffer vom Gepäckband nimmt und den kennen wir nicht. Kaum sind wir durch die Einreisekontrolle durch, sind unsere Koffer angeblich schon verladen. Ich sehe zwar etwas, dass mit meinem Koffer unter Umständen irgendeine geringe Ähnlichkeit haben könnte, aber eine genaue Kontrolle ist nicht mehr möglich, da jemand den Kofferwagen schon wegrollt.

Kaum sind wir vor dem Terminal angekommen, werden wir auch schon von unseren zwei Reiseleiterinnen empfangen (2 Busse). Es kommt gleich zur Aufforderung, dass wir in den Bus einsteigen können, da alle Gepäckstücke schon verladen seien. Wie dies genau funktionieren hat können, ist mir bis heute ein Rätsel, denn keiner von uns hat eine Angabe über seine Kofferzahl gemacht, wir waren 36 Personen im Bus und 36 Koffer waren dabei und es waren die Richtigen!

Als Erstes geht nun die Fahrt vom Flughafen Chicago O`Hare in die Innenstadt zu unsrem Hotel am Michigan See. Von Chicago selbst ist wegen des vorherrschenden Nebels kaum etwas zu sehen. Nach dem Empfang unsrer Koffer (manche hatten sich seelisch schon damit abgefunden, ihren Koffer nie mehr wieder zu sehen) machen wir uns noch auf den Weg, etwas von der Millionenstadt zu sehen.

Die Wolkenkratzer machen ihren Namen alle Ehre, denn nichts ist zu sehen, wie auch auf dem Bild rechts zu sehen ist. Für viele macht sich die Zeitverschiebung von sieben Stunden bemerkbar, sodass der heutige Abend bereits sehr früh endet. Obwohl ich ein Zimmer mit Seeblick habe und nur 50m vom Michigan See entfernt bin, ist vom See vor lauter Nebel nichts zu sehen.

Tag 2: Deutschland - Quad Cities

Als erster Tagesordnungspunkt nach dem Frühstück steht heute der Zählappell für die Koffer an, denn kaum einer will sich davon trennen. Nachdem unsere Reiseleiterin festgestellt hat, dass die Kofferzahl mit der Zahl der Reisenden übereinstimmt, kam nur lapidar die Frage, ob denn jemand dabei sei, der zwei Koffer habe.

Darauf die Antwort eines Mitreisenden: “Ich bin mit zwei Koffern angereist, habe aber heute nur noch einen daraus gemacht”. Darauf ein Anderer: “Ich und meine Frau haben schon immer zusammen nur einen Koffer gehabt!”. Aber woher kommt nun der 36. Koffer? Also wieder alle Koffer raus aus dem Bus. Nach der persönlichen Identifikation des Gepäcks durch jedem selbst können wir mit einer Stunde Verspätung doch noch starten.

Chicago - Sears Tower

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Chicago - Sears Tower, über den Wolken

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Irgendwo in der Nähe des Mississippi

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Mississippibrücke bei den Quad-Cities

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Ein Aldi (ganz links) in Moline/Illinois

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Amish People in Iowa

Ein Besuch der Warenterminbörse („Border of Trade“) in Chicago stellt nun den eigentlich ersten Tagesordnungspunkt für heute dar, dann statten wir dem im Jahre 1996 noch höchsten Gebäude der Welt einen Besuch ab, dem Sears Tower mit 442m Höhe. Zur Aussichtsplattform im 103. Stock bringt uns der Aufzug in 40 Sekunden, was bei nicht wenigen zu einem flauen Gefühl in der Magengegend sorgt.

Von Chicago aus 400m Höhe ist wenig zu sehen, da der Nebel keinen weiten Blick zulässt.

Anschließend folgt eine kleine Stadtrundfahrt in Chicago, der Stadt am “stinkenden Zwiebelfeld” nach indianischer Namensgebung. Das Mittagessen nehme ich in einem Schnellrestaurant in dem von Stararchitekt Helmut Jahn erbauten Johnsen-Gebäude, dem “modernsten Verwaltungsgebäude der Welt“, ein.

Nach dem Mittagessen verlassen wir Chicago in Richtung Westen. Nach einem Zwischenstopp in Dekalb erreichen wir am Abend die Quad Cities (Moline, Devonport, Rock Island, ...) am hochwasserführenden Mississippi (der ist hier so ziemlich überall, nur nicht in seinem eigentlichen Flussbett, genau wie bei “Lucky Luke” im Comic.

Manche können es nun schon gar nicht mehr erwarten, ob den ihr Koffer immer noch im Bus ist, aber es sind alle angekommen. Am Abend steht heute eine mehrstündige Dampferfahrt mit einem Raddampfer auf dem Mississippi an.

Tag 3 und 4: Quad Cities - Waterloo (Iowa) - San Francisco

Am nächsten Morgen steht zunächst eine Werksbesichtigung in Moline/Illinois in einem Landmaschinenwerk des größten Landmaschinenherstellers der Welt an, das Mittagessen nehmen wir in dessen Hauptverwaltung ebenfalls in Moline ein. Dieses Gebäude ist herrlich in einem Park gelegen und viele europäische Arbeitsplatzgestalter könnten sich von der Gestaltung und Ergonomie der Großraumbüros dort eine große Scheibe abschneiden.

Anschließend überqueren wir den Mississippi und es folgt ein Besuch einer Farm mit 1800ha Fläche. Die durchschnittliche Farm in Illinois und Iowa ist etwa 100 ha groß, auffällig sind die sehr kleinen Felder mit vielen Ecken (von „Flurbereinigung“ nichts zu sehen), Flächenzuschnitte bei denen sich in Deutschland jeder aufregen würde und wir sind hier im Sojagürtel der USA!

Das Abendessen nehmen wir in einer Mennoniten-Kirche bzw. deren Versammlungssaal auf den Weg nach Waterloo im Bundesstaat Iowa ein. Auf den Weg zum Abendessen sehen wir auch einige Amish, eine Bevölkerungsgruppe, die für ihren fortschrittsverneinenden Lebensstil bekannt ist.

Für den Vormittag des vierten Tages steht ein Besuch des Traktorenwerks an. Anschließend teilt sich die Truppe für den Rest des Tages, ein Teil nimmt dabei gleich die 300km Busreise nach Minneapolis/St. Paul zum größten Einkaufszentrum der Welt auf. Für mich und einige andere steht zunächst die Rückreise nach Cedar Rapids an, von wo aus wir per Flugzeug nach Minneapolis/St. Paul gelangen wollen.

Doch so mancher von uns hat so seine Probleme an der Sicherheitskontrolle. Den wer als waschechter Bayer oder Franke verreist, der will auch Schafkopf spielen und das meist um Geld. Aus “Sicherheitsgründen” spielen diese Personen dann nur um deutsches Geld (“Fünf-Pfennig”) und dafür braucht man einen gehörigen Vorrat im Geldbeutel. Den verdutzten Gesichtsausdruck des Sicherheitsbeamten beim Betrachten des überquellenden Geldbeutels kann man sich leicht vorstellen.

Beim Anschlussflug nach San Francisco lernen wir den Service bei amerikanischen Inlandsflügen von seiner besten Seite kennen. Beim Vierstundenflug gibt’s außer einer Pepsi und Peanuts nichts, die Bestuhlung erinnert an eine Sardinenbüchse und der Kopfhörer würde einen Dollar Benutzungsgebühr kosten.

Nachts um 23 Uhr kommen wir in San Francisco an, aber bitte wo sind die restlichen 13 Koffer? Die kommen erst drei Stunden später nach, sodass bei manchen Teilnehmern in dieser Nacht nicht an Schlaf zu denken ist. Unser Hotel ist das Holiday Inn Chinatown. Mein Zimmer liegt direkt unterhalb des Swimmingpools auf dem Hoteldach im 31. Stock, hoffentlich ist die Decke dicht.

 

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