Etwas zum Nachdenken

Unseren Generationen ist es gegönnt, ohne wirklich große Gefahren in 48 Stunden theoretisch auf jedem Fleck auf der Erde zu sein. Wenn man sich einschränkt, dann geht dies auch bei bescheideneren finanziellen Verhältnissen, aber hier liegt das Problem: Wer will sich denn heute noch einschränken? Statt Prioritäten zu setzen, will man auf vielen Hochzeiten gleichzeitig tanzen.

Eine Priorität meiner Urlaubsgestaltung sind Reisen in ferne Länder. Ich darf damit eine Chance nutzen, von der viele nur träumen können, weil sie Zuhause angebunden (beruflich, privat) sind oder es sein wollen, obwohl sie es gar nicht sind. Bei Diavorträgen zu meinen Reisen höre ich oft den Satz: “Jetzt habe ich das Land in Bildern mit persönlichen Eindrücken gesehen und brauche nicht mehr selber dorthin verreisen”, oft mit einem leicht nachdenklichen Unterton. Ich hoffe, dass ich solchen Personen, sofern sie Ähnliches beim Lesen meiner Reiseberichte empfinden, eine Freude machen kann.

Gruppenreisen: Nein danke?

     "Zum Reisen gehört Geduld, Mut, guter Humor, Vergessenheit aller häuslichen Sorgen, und dass man sich durch widrige Zufälle, Schwierigkeiten, böses Wetter, schlechte Kost und dergleichen nicht niederschlagen lässt.”                          Adolf Freiherr v. Knigge

Im Unterschied zu vielen anderen Homepages mit Reiseberichten sind meine Reiseberichte größtenteils das Ergebnis von Gruppenreisen, einer Gemeinschaft, wo man vor der Reise kaum einen kennt. Was ich dabei habe feststellen dürfen, hier kurz zusammengefasst:

  • Je größer die Gruppe, desto leichter kann man zwar Querulanten aus dem Weg gehen, desto weniger bekommt man aber auch die Nähe zur einheimischen Bevölkerung zu spüren.
  • Es gibt leider immer wieder Mitreisende, die den Sinn und Zweck einer Gruppenreise noch nicht ganz verstanden haben. Wie solche Leute überhaupt noch bei ihrer Penibilität eine Reise genießen können. Es ist eher umgekehrt, wie man oft meint: Die “Generaldirektoren” sind meist wesentlich umgänglicher, als die Familien Hinz und Kunz. Die Ansprüche sind fast entgegengesetzt proportional zum Reisepreis.
  • Anders schaut es bei Gruppenreisen mit Zeltübernachtungen aus. Hier wissen fast alle, was auf sie zukommt: Gut 22 Stunden am Tag ist die Gruppe fast immer auf gut 100m zusammen, man kann kaum aus, d.h., man muss sich der Gruppe unterordnen, ob man will oder nicht. Ich habe festgestellt, dass gerade bei Zeltreisen die Gruppen meist viel homogener und spannungsfreier sind.
  • Problematisch können Gruppenreisen werden, wenn sich gewisse Interessengruppen bilden können und diese nach meinen Erfahrungen mehr als 4 Personen oder 1/3 der Gruppe ausmachen. Ist diese Grenze überschritten, dann ist eine einige Gruppe nur noch möglich, wenn der Rest den Interessen der Minigruppe nachkommt.
  • Unproblematisch sind Gruppen, wo sich keine Interessengruppen bilden können, denn hier haben es “Alpha-Tiere” sehr schwer, der Truppe ihren Stempel aufzudrücken. Ist aber solch ein “Alpha-Tier” auch noch Mitglied in einer dominanten Gruppe, dann kann es für den Rest frustrierend werden. Merken die “Alpha-Tiere” aber, dass sie niemanden um sich scharen können (den Ehepartner vielleicht mal ausgenommen), werden sie oft zu sehr angenehmen Reisegenossen/-innen.

In der Fremde hinterlasse nur Fußspuren und nimm nur Eindrücke mit!

Genau diesen Wortlaut hat das Motto der DOC (“Department of Conservation”), der Nationalparkbehörde in Australien. Ich denke ein Satz, der alles sagt, wie man sich denn eigentlich in der Fremde verhalten sollte. Aber oft kommt es ganz anders. Man braucht sich nur nach einem Flug das Flugzeug anschauen, man erkennt sofort den Unterschied, wo wir Deutsche und wo z.B. ein Amerikaner gesessen ist. Der Amerikaner hat zwar 3-5 Mal soviel Müll, der liegt aber sauber sortiert herum. Bei den Deutschen denkt man oft, eine Bombe hat eingeschlagen.

Führen wir uns Zuhause genauso auf, wie manch einer im Urlaub? Auch ich habe schon miterleben müssen, dass Mitreisende sich gegenseitig Witze erzählt haben, während unsere Gastgeber beim Abendessen ein gemeinsames Tischgebet in einem Methotisten-Gemeindesaal gesprochen haben. Wie sagte mal ein Universitätsprofessor, der neben mir im Flugzeug beim Heimflug von Afrika nach München saß auf meine Frage, ob er denn Zuhause den gleich großen Saustall habe (Anmerkung: Er verteilte Unmengen von Müll und Verpackungen rund um seinen Sitzplatz): “Die Stewardessen sind doch dazu da, um das wieder wegzuräumen”. Gerade diese Schizophrenie wird trefflich im Buch “Achtung Touristen” von Christian Adler beschrieben (Peter-Rump-Verlag, ISBN 3-922376-32-0). Der Autor hat einem Eingeborenen aus Neuguinea und einem Eskimo genau das Verhalten in Deutschland an den Tag legen lassen, wie wir es manchmal im Urlaub machen, mit interessanten Ergebnissen.

Wenn man einmal patagonisches Klima erlebt hat, dann weiß man erst, dass wir in Mitteleuropa auf einer Insel der Glückseligen leben oder wie jemand zu mir sagte: “Ich habe jahrelang im Paradies gelebt und habe es nicht gemerkt.”

Sind Urlaubsziele Freiluftzoos mit Mensch und Tier in freier Wildbahn?

Manchmal könnte man meinen, dem ist wirklich so. Urplötzlich gibt es bei der Reise Beschwerden darüber, dass der zu fotografierende Arbeiter mit der Schaufel 1$ für ein Foto verlangt (der wäre ja dumm, wenn er es nicht machen würde). Dann wieder das Jammern, “der einheimische Junge will sich nicht mit mir fotografieren lassen”. Ein anderer: “Jetzt komme ich extra hierher und ich sehe keins von den Tieren”. Wenn man die Leute dann darüber aufklärt, dass die Populationsdichte je Quadratkilometer von Löwen im Krüger Nationalpark etwa nur 10% wie z.B. Füchse bei uns ausmacht und sie fragt, wie oft sie schon einen Fuchs gesehen haben, werden sie nachdenklich. Ich wohne auf dem Land und habe im Oktober 2004 erstmals in meinem Leben kleine Wildschwein-Frischlinge in freier Wildbahn zu Gesicht bekommen.

Verreisen wir, um andere Länder und Sitten in Erfahrung zu bringen oder verfahren wir nach dem bayerischen Ausspruch: “Mir san mir” (und der Rest hat nach unsrer Pfeife zu tanzen).

Gedanken darüber, warum wir eigentlich verreisen.

  • Sind unsere Urlaubsfotos nur das Ergebnis eines Besuchs auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten?
  • Fotografieren wir um schöne Augenblicke festzuhalten oder um den Daheimgebliebenen zu zeigen, was wir schon mehr als sie gesehen haben? Auch ich habe mich schon dabei ertappt, ob denn das Motiv für einen Diavortrag taugt.
  • Ist Rücksicht die Beachtung des Anderen oder das Verwirklichen eigener Interessen?
  • Behandeln wir andere eigentlich so, wie wir von Ihnen behandelt werden wollen?
  • Bestehen Urlaubsziele denn eigentlich fast immer darin, dass man immer sogenannten Originalramsch mit “Made in China” oder “Made in Bangladesh” zu sehen bekommt? Der Handwerker vor Ort hat dann keine Chance mit seinen Preisen und seinen hoffnungslos hinterwäldlerischen Marketing-Möglichkeiten?
  • Lernen es manche nie, dass man in der Natur, fernab jeder Zivilisation auch mal seinen Mund halten sollte, damit andere die Stille und Einsamkeit der Natur genießen können.

 

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