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Tag 16: Chukhung - Chukhung Ri - Pangboche

Die Nacht ist heute im Vergleich zu den Vortagen etwas langweiliger. Ab etwa 3 Uhr am Morgen liege ich wach auf meiner Sperrholzplatte mit aufgelegter Hängemattenmatraze. An Schlaf ist eigentlich nicht mehr zu denken, da ich mich irgendwie ausgeschlafen und hellwach fühle. Lesen will ich jetzt auch nicht, einfach einmal faul im Bett herumliegen und fünfe gerade sein lassen muss auch mal sein. Mein Ruhepuls, man hat ja genügend Zeit zum Messen, liegt bei 67 und die Sauerstoffsättigung bei sehr beruhigenden 90% für gut 4700m Höhe. Eigentlich könnte ich jetzt sofort zum Chukhung Ri starten, aber wir haben ja einen späteren Termin vereinbart.

Der 5550m hohe Chukhung Ri ist ein Aussichtspunkt v.a. zur hier mehr als 3000m fast senkrecht abfallenden Lhotse-Wand, zur Ama Dablam, zum Island Peak und zum 8485m hohen Makalu, vorausgesetzt das Wetter passt. Die Frage die sich jetzt auch stellt, gibt es im Schnee überhaupt eine Spur hinauf zum Chukhung Ri oder müssen wir selbst spuren. Mit mehr als 800m Höhenunterschied ist er schwieriger als die beiden anderen bekannten Aussichtspunkte Kala Patthar (500m ab Gorak Shep) und Gokyo Ri (600m), dafür dürfte es ein Panorama fast den ganzen Aufstieg lang geben.

Nach dem Frühstück kommt Ganesh Schwager zu mir und teilt mir mit seinen wenigen englischen Worten mit, dass Ganesh krank sei und ob es mir etwas ausmachen würde, dass er mich begleiten würde. Die anderen würden dann gleich nach Dingboche absteigen, wo wir heute dann übernachten wollen. Ich erkläre ihm, dass ich damit einverstanden bin. Als ich meine Ortliebtasche für den Abtransport in den Aufenthaltsraum bringe, fällt mir auf, dass im Gepäck eines Trägers mein Zelt dabei ist. Wenn ich gewusst hätte, dass mein Zelt in Chukhung ist, dann hätte ich im Zelt übernachtet.

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Auf dem Weg zum Chukhung Ri - in Bildmitte im Tal der Ort Chukhung, rechts die dunkle Stelle ist das Tal in Richtung Pangboche

Heute ist es gefühlt noch einmal kälter im Vergleich zu gestern. Die Schneespur außerhalb der Lodge knirscht schon gewaltig, es müssen also immer noch deutlich unter -10°C sein. Außer mir und Ganesh Schwager ist um diese Zeit noch niemand außerhalb einer Lodge zu sehen, wir sind also die Ersten.

Etwas außerhalb von Chukhung heißt es jetzt einen etwa 5m breiten Bach zu überqueren. Aber ich gebe Ganesh Schwager zu verstehen, dass ich an dieser Stelle den Bach nicht queren werde. Meine Argumentation, dass sich auf den seitlich hängenden Querungssteinen eine dünne Eisschicht befindet und sich die Steine an einem kleinem Wasserfall (30cm) befinden und das Wasser danach mindestens 5cm tiefer als die Schafthöhe meiner Schuhe ist und ich dann beim zu erwartenden Abrutschen und Wasserschöpfen Hochwasser im Schuh haben würde, kann er sofort nachvollziehen. Es ist also nicht die Stelle schuld, sondern die Eisschicht heute.

Bis wir die nächste Querungsmöglichkeit finden sind doch einige Minuten Umweg notwendig, dann ist aber eine vernünftige Stelle gefunden. Die Lokalität ist zwar breiter, dafür aber etwas flacher und die eisüberzogenen Steine sind zackiger im Vergleich zur ursprünglichen Variante, hier sollte man nicht so leicht ausrutschen.

Die Querung des Baches ist dann überhaupt kein Problem. Im Anschluß daran geht es steil den Berg hinauf in Richtung Chukhung Ri. Neben der gefrorenen Spur (warum habe ich Dussel meine Grödel im Hauptgepäck?) ist der Schnee teilweise mehr als einen halben Meter tief, üblicherweise wäre hier um diese Jahreszeit fast noch grüne Wiese. Wegen der Eisschicht in der Spur muss man jeden Schritt mit Bedacht setzen, aber wir kommen ohne Probleme voran.

Was mir auffällt ist, dass sich ab etwa 5200 bis 5300m eine Wolkenschicht befindet, der Lhotse schimmert nur manchmal leicht durch die Wolken. In Richtung Makalu bzw. in der Richtung wo der Berg normalerweise zu sehen sein sollte, ist eine Wolkenwand und auch in Richtung Süden ist der Gipfel der Ama Dablam in Wolken.

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Auf dem Weg zum Chukhung Ri - Blick in Richtung Lhotse

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Auf dem Weg zum Chukhung Ri - Bild von der identischen Stelle zum Vorbild fotografiert - Blick in Richtung Ama Dablam und Chukhung Glacier

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Auf dem Weg zum Chukhung Ri - rechts die dunkle Stelle ist das Tal in Richtung Pangboche, der Ort Chukhung ist bereits hinter den Felsen liegend verschwunden

Der Pfad geht manchmal in Serpentinen und dann wieder geradeaus direkt steil nach oben, d.h. die Spur dürfte nicht dem normalen Weg zum Chukhung Ri entsprechen. Bei Blick ins Tal ist zu erkennen, dass wir immer noch die Einzigen weit und breit sind. Nirgendwo, auch nicht im Tal, ist jemand zu sehen.

Dafür bietet sich uns ein herrlicher Blick auf die Gletscherwelt rund um die Ama Dablam und weiter zum Island Peak, von dem wir aber den Gipfel nicht sehen können. Je weiter wir in die Höhe kommen, desto langsamer werden wir. Ich muss heute ohne meinen Rucksack auskommen, da sich Ganesh Schwager ihn einfach aufgesetzt hat.

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Auf dem Weg zum Chukhung Ri - Wolkenlücke zum Gipfel des Island Peak 6189m

Erst nach 9 Uhr sehen wir, dass Wanderer auf der Strecke ganz weit unten nachkommen. Wegen der Wolken ist aber unser Ziel, der Chukhung Ri, noch nicht einsehbar. Ganesh Schwager teilt mir mit, dass es keine Stunde mehr bis zum Gipfel ist, dass Ziel ist also in erreichbarer Nähe. Aber 15 Minuten später habe ich das Gefühl, dass wir nicht sehr viel weiter gekommen sind und jetzt tritt ein Umstand ein, der mich wissen lässt, warum die Everestbesteiger vom Lager 1 nach 2 im Western Cwm zu frühester Morgenstunde unterwegs sind:

Bisher hatten wir immer etwas Wind und die Sonne kam kaum heraus. Was aber jetzt passiert, fühlt sich an, wie wenn jemand die Mikrowelle einschaltet und man selbst ist auf dem Drehteller. Es ist kein Wind mehr und die Sonne scheint für wenige Sekunden und man wird das Gefühl nicht los, es hat hier urplötzlich 50°C Außentemperatur. Irgendwie läuft jetzt sturzbachartig der Schweiß in Richtung Schuhe. Da die Sonne trotz Herbst sehr steil steht, wird sie vom Schnee perfekt reflektiert und man selbst ist mitten drin im Brennpunkt. Kaum verschwindet die Sonne wieder hinter einer Wolke ist es wieder eiskalt. 15 Sekunden später beginnt das Spiel wieder von vorne. Und ich habe heute erstmals seit der Gipfeletappe auf den Kilimanjaro wieder einen langen Liebestöter als Kleidungsstück an. Auch beim Blick in das Gesicht von Ganesh Schwager offenbaren sich bei ihm wahre Sturzbäche an Schweißstömen.

Da wir zusätzlich noch an der Grenze der Wolkenschicht angekommen sind und wir beide meinen, die Wolken werden sich in den nächsten 2 Stunden nicht verziehen, beschließen wir an dieser Stelle den Aufstieg zu beenden und eine kleine Trinkpause einzulegen. Der Höhenmesser zeigt etwas zwischen 5250m und 5300m an.

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Auf dem Weg zum Chukhung Ri - An der Wolkendecke angekommen - Blick über den Chukhung Glacier

Aus Interesse möchte ich meine Sauerstoffsättigung messen, aber das Gerät funktioniert nicht, die Batterien haben keinen Entladestrom. Gestern bei -10°C hat es tadellos funktioniert, heute muss es hier im Nichtsonnenschein kälter sein. Beide genehmigen wir uns den Rest unserer Trinkvorräte und genießen die Aussicht für einige Minuten, sprechen etwas über andere Touren und machen uns anschließend auf den Rückweg. Im unteren Drittel des Aufstiegs wieder angekommen, treffen wir dann auf zwei kleine Gruppen, die den Aufstieg wagen wollen, weitere Personen sehen wir nicht. Den Bach am Ortsausgang von Chukhung können wir jetzt an der Stelle problemlos queren, bei der ich vor Stunden noch verweigert hatte, da die Steine inzwischen eisfrei sind.

Gegen 10:30 Uhr sind wir wieder in Chukhung in der Lodge zurück. In Richtung Chukhung Ri, selbiger ist ja von Chukhung aus nicht einsehbar, hängen immer noch die Wolken. Der Pulsoxymeter funktioniert auch wieder. Jetzt heißt es für uns beide zunächst die körpereigenen Trinkvorräte wieder aufzufüllen. Auch die langen Liebestöter wandern umgehend ins Gepäck zurück und wir machen uns auf den Weiterweg hinab nach Dingboche. Auch hier ist heute kaum ein Gegenverkehr, nur vereinzelt sind Träger in unserer Richtung unterwegs.

Durch die Sonneneinstrahlung befindet sich, je weiter wir uns Dingboche annähern, unter den Schuhen immer mehr ein Gemisch aus Schnee, Matsch, Wasser und Yakscheiße.

Nach 90 Minuten sind wir in Dingboche angekommen und der Rest der Begleitmannschaft erwartet uns mit dem Mittagessen. Weil die Sonne scheint und die Temperaturen in der Sonne angenehm sind, gibt es heute ein Outdoor-Mittagessen im Garten der Lodge. Beim Blick in Richtung Lhotse haben sich die Wolken inzwischen etwas ausgedünnt. Ob inzwischen vom Chukhung Ri eine Sicht möglich wäre, läßt sich aber hier 1200m tiefer nicht beurteilen. War es in Chukhung noch relativ ruhig, so ist hier in Dingpoche doch einiges los. Dingboche dient auch gerne neben Periche als Halt auf dem Weg in Richtung Gorak Shep und dem Everest Basislager.

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Das obligatorische Gemisch aus Schnee, Matsch, Wasser und Yakscheiße auf dem Weg zwischen Chukhung und Dingboche

Ganesh teilt mir mit, dass ihm heute Morgen sehr unwohl war und er deshalb nicht mitgehen konnte. Er fragt ob ich in Dingboche bleiben will oder ob wir weiter nach unten bis nach Pangboche weiter sollen. Ich sage zu ihm, dass ich jetzt genügend Schnee unter meinen Füßen gehabt habe und ich gegen eine Weiterwanderung bis nach Pangboche nichts einzuwenden hätte. Wenn ich gewusst hätte, dass ab 9 Uhr die Temperaturschwankungen so krass sein können, dann hätte ich den Aufstieg schon um 5 Uhr gestartet. Diese Zeit hatte mir Ganesh am Vortag neben anderen Zeiten auch vorgeschlagen. Da er mir aber nicht die Vor- und Nachteile der verschiedenen Startzeiten sagen konnte, hatte ich mich für die spätere Zeit entschieden in der Annahme, weniger Eis in der Spur vorzufinden.

Um 14:15 Uhr machen wir uns auf den Weiterweg in Richtung Pangboche. Es ist aber jetzt schon zu sehen, dass seit Vorgestern einiges an Schnee hier in Dingboche bereits wieder abgeschmolzen ist. Die Wege sind inzwischen fast wieder staubtrocken. Pangboche liegt etwa 400 Höhenmeter unterhalb von Dingboche.

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Weg von Dingboche nach Pangboche

Auf der Strecke bleibt es natürlich nicht aus, dass man immer wieder schon bekannte Gesichter trifft. Von einem Ehepaar erfahre ich, dass in Richtung Gorak Shep viel Schnee liegt und sie das Everest Basislager wegen der Schneemassen nicht besuchen konnten. Es hätte also nichts gebracht, wenn wir den Pausentag in Phortse Thanga gestrichen hätten und damals schon harakirimäßig in Richtung Everest marschiert wären.

Gegen 16 Uhr kommen wir in Pangboche an, diesmal aber im Unterschied zum Herweg im unteren Ortsteil und sind damit wieder unter 4000m ü.NN angelangt. Neben dem Eingangsbereich der Lodge können wir das Zelt aufbauen und erhalten von so manch einem doch etwas staunende Blicke, Zelte sind hier also nicht oft zu sehen. Den 5-Uhr-Tee nehmen die ganze Mannschaft und ich auf den Gartenstühlen und -tischen der Lodge ein.

Das Abendessen gibt es wieder in der Lodge, gekocht von meiner Begleitmannschaft. Dort treffe ich auch auf gescheiterte Island Peak Bezwinger von meiner Trekkingagentur. Üblicherweise dauert es von Chukhung zum Basecamp des Island Peak etwa 3 Stunden, sie brauchten dazu fast 8 Stunden und mussten dann feststellen, dass die Ausrüstung vor Ort metertief im Schnee versteckt war. Folglich mussten sie ungeklärter Dinge wieder umkehren.

Für heute Nacht sehe ich eventuell ein kleines Problem mit einem ungestörten Schlaf im Zelt: auf dem Lodgegelände läuft ein Pferd frei herum, manchmal auch etwas ziellos und planlos.

Ob das Pferd heute Nacht auch immer die Abspannleinen des Zeltes sehen wird?

Es ist nicht unbedingt ratsam, ein ausgewachsenes Pferd unfreiwillig als Bettdecke benützen zu wollen. Trotzdem will es das Pferd wenigstens einmal probieren: ich sitze bereits im Zelt und höre unmittelbar neben dem Zelt einen Bauchplatscher von Gewichtsmassen, die auch sehr deutlich über stark übergewichtigen Menschen liegen. Das Pferd schüttelt sich und macht seither einen Sicherheitsbogen um mein Zelt.

Tagesdaten: Start: Chukhung 4693m ü.NN - 7:10 Uhr, Ziel: Pangboche 3943m ü .NN - 16:00 Uhr, ↑622m, ↓1400m

Tag 17: Pangboche - Namche Bazaar

Die Nacht auf der “Pferdekoppel” verläuft ohne weitere Katastrophen, ich bekomme jedenfalls nichts davon mit, und ein neuer Trekkingtag kann beginnen. Heute wollen wir weiter bis Namche Bazaar. Wir wären zwar dann einen Tag zu früh dran, dafür könnten wir aber die lange Strecke von Namche nach Lukla auf zwei halbe Tage aufteilen.

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Hochbetrieb auf der “Everestautobahn” zwischen Lower Pangboche und Deboche

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Hochbetrieb auf der “Everestautobahn” zwischen Lower Pangboche und Deboche

Der Weg heute verläuft auf der Hauptroute zum Mount Everest, es ist also sehr viel los auf der Strecke. Es sind sehr viele Wanderer unterwegs, ebenfalls auch viele vierbeinige Lasttiere.

Interessanterweise können menschliche Träger mit teilweise mehr als 100kg identische Lasten zu Yaks oder Dzos tragen, Tiere haben aber den Vorteil, dass sich diese in den Hochlagen über 4000m selbst um Essen und Logis auch ohne Infrastruktur kümmern. Gerade die menschlichen Lasterträger sind mit für uns Mitteleuropäer unvorstellbaren Lasten unterwegs (siehe auch die Bilder im weiteren Verlauf).

Ganesh erzählt mir, dass er schon in 15 Tagen mit 105kg Last bei etwa 50kg Eigengewicht von Jiri nach Namche unterwegs war und dort sind 8500 Höhenmeter aufwärts und 7000 Höhenmeter abwärts zu überwinden! Die Bezahlung dieser wahrlichen “king-of-the-roads” des Khumbu erfolgt meist nach Last. Mit diesem Gewicht sind solche Träger natürlich relativ langsam unterwegs und meist haben sie einen T-förmigen “Spazierstock” in einer Hand. Dieser dient bei einem Halt als Stehstuhl, damit man “entspannt” eine Gehpause einlegen kann. Die Träger sind aber fast ausnahmslos kleiner gewachsen, also meist aus den tiefer gelegenen Gebieten und somit keine Sherpa.

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Khumbu “King-Of-The-Road” - Träger mit 5m langen Dielen, gut 100kg schwer

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Khumbu “King-Of-The-Road” - Träger mit langen Leisten, gut 100kg schwer

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Khumbu “King-Of-The-Road” - Träger mit einer Ladung Abwasserrohre und Rucksack auf der Ladung

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Khumbu “King-Of-The-Road” - Achtung überbreiter Schwertransport im Gegenverkehr!

Entgegenkommenden tierischen Lasttieren sollte man grundsätzlich nur hangseitig ausweichen. Da diese Tiere im Hinterkopf keine Augen haben, können diese auch nicht einschätzen, wie breit ihre Ladung ist. Stünde man an der Talseite, dann erhält man sehr schnell eine hangabwärtige Flugeinlage mit unberechenbaren Folgen.

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Achtung Gegenverkehr!

Heute sieht man auch viele Lasttiere mit aufgeschnallten Gasflaschen, aber nur auf dem Bergaufweg. Mit ihren beiden Flaschen wirken sie wie Flugzeuge mit zwei Strahltriebwerken.

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Eine Ähnlichkeit mit einem us-amerikanischen Warzenschwein (eigentlich ein Flugzeug vom Typ Fairchild-Republic A-10 Thonderbolt II, genannt "Warthog" oder "Warzenschwein") ist unverkennbar (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Fairchild-Republic_A-10)

Man könnte fast meinen, es handelt sich um die nepalesische Variante eines Warzenschweines. Das nepalesische (vierbeinige) Warzenschwein ist zwar nicht mit dem afrikanischen Warzenschwein verwand, aber mit dem zweistrahligen amerikanischen Warzenschwein (eigentlich ein Flugzeug vom Typ Fairchild -Republic A-10 Thonderbolt II, genannt "Warthog" oder "Warzenschwein") hat es doch sehr große Ähnlichkeiten (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Fairchild -Republic_A-10). Das nepalesische Warzenschwein hat aber selten unter 3000m ü.NN Flughöhe (dann aber bodennah).

Wie sein amerikanischer Vetter ist es zweistrahlig (wenn man den Gashahn aufdreht und mit dem Feuerzeug die Triebwerkszündung einschaltet), es bleibt geschwindigkeitsmäßig auch im Unterschallbereich (Zitat Wikipedia: "Der einfach aufgebaute, effektive und robuste zweistrahlige Unterschall-Jet ...").

Wie das Original kann es "panzerbrechend" eingesetzt werden, wobei bei 600kg "Geschossmasse" eine Panzerbesatzung bei einem Treffer dies eher zum Kotzen (äh Brechen) finden würde. Es hat Außenbewaffnung (Hörner).

Später kommen mir auch wieder drei bekannte Gesichter (wenn man die Zehnplusxtagebärte miteinkalkuliert) entgegen. Es sind die drei Österreicher aus Namche und Dole. Sie erzählen mir, dass sie alle drei in Dole krank wurden und nicht mehr weiter aufgestiegen sind. Sie sind jetzt auf den Weg in Richtung des Ama Dablam Basecamp, dessen Zustieg sich hier in der Nähe befindet.

Der weitere Weg talwärts führt im Flußtal des Imja Khola entlang nach Deboche und anschließend wieder ansteigend zum Ort Tengboche, der v.a. durch sein Kloster bekannt ist. Den Besuch des Klosters erspare ich mir, so wie ich bis jetzt auch grundsätzlich keine Gebetsmühle gedreht habe.

Wenn sich irgendwo auf den Wegen Manisteine oder Mauern befinden, dann sollten diese eigentlich im Uhrzeigersinn umrundet werden. Ich sehe aber an den Tagen hier im Khumbugebiet auch viele Einheimische, die dies nur dann machen , wenn der Umweg für eine Links- bzw. Uhrzeigersinnumrundung sich in Grenzen hält.

Nur allzuoft werden die Steine im wahrsten Sinne des Wortes links liegen gelassen. Bei vielen Manisteinen bzw. -mauern sind die Wege aber so angelegt, dass sich der Uhrzeigersinn bei der Umrundung automatisch ergibt.

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Kloster Tengboche

Die Aussicht ins weitere Khumbutal ist heute nur begrenzt möglich, da die Wolken doch relativ tief hängen, die Nuptsewand ist in den Wolken versteckt, ebenso wie die Ama Dablam. Nach Tengboche in Richtung Namche Bazaar beginnt ein heftiger Abstieg von mehr als 600 Höhenmeter, anschließend geht es über eine Hängebrücke und auf der anderen Talseite dann wieder 400 Höhenmeter nach oben.

Nach unten gibt es aber zwei Wege, wobei wir den Nebenweg benützen, da dieser kaum von talwärts gehenden Lasttierkolonnen benützt wird. Solche meist sehr langsam vorankommende Kolonnen können fast immer nur sehr schwierig überholt werden. Auch sollte man sich vorher deutlich für die Tiere bemerkbar machen, sofern man diese einzeln überholen möchte. Denn wer weiß, was passiert, wenn solch ein Tier erschrickt und beginnt Panik zu schieben.

An einem Aussichtspunkt unterhalb von Tengboche bietet sich ein wunderschöner Blick auf das Gebiet Namche-Sanasa-Everest View Hotel-Khumjung. Da der Ausweichweg doch schon sehr ausgetreten und steil ist, ist dieser mit Vorsicht zu genießen, auch der Gegenverkehr an Wanderern macht die Sache nicht einfacher.

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Blick von Tengboche in Richtung des Khunde, Namche Bazaar liegt hinter dem Hügel in Bildmitte, rechts ist Khumjung zu sehen, dass zwischenliegende Tal muss durchschritten werden

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Schwer beladene Lasttiere auf den Weg nach Tengboche

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Brücke über den Imja Khola bei Phungi Thanga

In Phungi Thanga geht es dann über eine lange Hängebrücke über den Imja Khola, anschließend dann wieder über Steintreppen steil bergauf in Richtung Sanasa. Am Aussichtspunkt in Kjangjuma wollen wir heute Mittag machen, bis nach Namche Bazaar ist es nur noch eine Stunde.

Beim Warten auf das Essen wird einem wieder bewusst, wieviele inzwischen bekannte Gesichter unterwegs sind, es gibt genügend Personen zum Grüßen. Da mein Akubrahut hier relativ unverwechselbar ist, dürfte ich für viele auch ein gewisses Maß an Erkennbarkeit haben.

Gegen 14:30 Uhr machen wir uns auf den Weiterweg nach Namche Bazaar, der Weg dorthin ist aber relativ eben, sodass wir in kaum einer Stunde in Namche Bazaar ankommen. Da unsere Lodge vom Herweg ausgebucht ist, finden wir auf dem Gelände einer anderen Lodge einen Zeltplatz mit besten Aussichten auf den Ort. Dort sind wir auch die einzigen Gäste. Das Abendessen dürfen wir im wohldekorierten Wohnzimmer des Hauses einnehmen.

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Einsamer Zeltplatz oberhalb von Namche mit besten Aussichten

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Zeltinnenleben - v.l.n.r: Tagesrucksack, Wanderschuhe, Downmat, Akubrahut (darunter die Hardshell-Jacke, die nach dieser Reise im Alter von 3 Wochen schon das Zeitliche gesegnet hat), Ortlieb-Reisetasche, Schlafsack im unkomprimierten Packsack

Auch die nachts hier bellenden Hunde haben in der Zwischenzeit dazugelernt, denn sie beenden ihr Orchesterproben noch vor Mitternacht.

Tagesdaten: Start: Pangboche 3943m ü.NN - 8:15 Uhr, Ziel: Namche Bazaar 3584m ü.NN - 15:20 Uhr, ↑705m, ↓1058m

Tag 18: Namche Bazaar - Phakding

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Monduntergang über den Khongde bei Sonnenaufgang über Namche Bazaar

Üblicherweise legt man die Strecke von Namche Bazaar nach Lukla an einem langen Tag zurück. Da wir aber genügend Zeit haben, wollen wir diese Strecke auf zwei Tage verteilen und heute nur bis Phakding wandern. Die Strecke selbst ist identisch mit der Anreise.

Am Kontrollposten vor Namche Bazaar gibt es die Urkunden für die durchgeführte Wanderungen im Khumbugebiet. Dort sind auch all die bekannten Aussichtspunkte angekreuzt, sofern man sie auch erreicht hat. Nur bei meiner “Urkunde” sind doch einige falsche Haken gesetzt worden, denn auf manch angekreuzten Aussichtspunkten war ich überhaupt nicht. Das Papier ist somit noch wertloser als sonst.

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Gegenverkehr beim Abstieg von Namche Bazaar aus

Im Anschluss geht es wieder steil bergab die bekannten Steintreppen bis zur Hillary-Bridge. Aufpassen heißt es bergab wieder auf die Trekkingstock-Mafia. Mitglieder dieser Eliteeinheiten sind z.T. so sehr mit ihren Stöcken beschäftigt, dass sie die Umgebung nicht mehr wahrnehmen, Überholversuche meinerseits sind zwecklos. Warten und Abstand halten ist ebenso zwecklos, irgendein Trekkingstockträger drängelt sich immer dazwischen.

Ich möchte eigentlich nur gleichmäßig und mit geringer Gelenkbelastung, dies geht auch problemlos ohne Trekkingstöcke, die Steintreppe absteigen. Da auch das Dämpfungsverhalten meiner zwiegenähten Bergschuhe sehr wesentlich geringer im Vergleich zu sonst üblich geklebten Schuhe ist, gewöhnt man sich ein wesentlich feineres Aufsetzen des Fusses an. Genau dies ist noch gelenkschonender als Dämpfungskeile in Sohlen oder Trekkingstöcke. Bis jetzt hatte ich auf dieser Tour nicht einmal ansatzweise Knie-, Rücken- oder Gelenkprobleme oder auch nur einmal einen Muskelkater, obwohl ich eigentlich für mein Gewicht ein paar Zentimeter zu wenig Körpergröße habe.

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Eine der unzähligen Hängebrücken

Die bekannte Strecke nach Phakding ist kurzweilig und wir treffen bereits zur Mittagszeit in Phakding ein. Das Zelt wird heute direkt auf der kleinen Rasenfläche der Eco Sherpa Home Lodge aufgebaut. Erstmals besteht auch heute wieder die Möglichkeit nach einer warmen Dusche, die ich natürlich auch wahrnehme. Den Rest des Tages nütze ich zum Faulenzen.

Tagesdaten: Start: Namche Bazaar 3584m ü.NN - 8:35 Uhr, Ziel: Phakding 2730m ü.NN - 12:25 Uhr, ↑342m, ↓1191m

Tag 19: Phakding - Lukla

Die Strecke bis Lukla ist heute nicht sehr weit. Wie gestern ist auch heute wieder eitel Sonnenschein bei den Wetterbedingungen. Es geht wie schon am Vortag auf der vom Herweg bekannten Strecke nach Lukla. Die landenden und startenden Flugzeuge sind bereits gut zu hören und zu sehen, aber vor dem Ortseingang von Lukla gibt es noch eine letzte Prüfung: eine schier endlose Steintreppe zwängt sich den Hang nach Lukla hinauf. Aber auch diese lässt sich meistern, sodass wir gegen 11:30 Uhr an der Sunshine Lodge in Lukla eintreffen. An der Lodge herrscht ein ziemlicher Betrieb, v.a. durch die aus Kathmandu ankommenden neuen Trekker, die in der Lodge ihre erste Anlaufstation haben.

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Khumbu “King-Of-The-Road” - Achtung überbreiter Schwertransport im Gegenverkehr!

Das Mittagessen gibt es im Garten der Lodge. Ganesh fragt bei mir nach, ob es mir etwas ausmachen würde, heute nicht zu zelten, sondern hier in der Lodge zu schlafen, es würde auch keinen Aufpreis kosten. Die Zeltplätze würden sich etwas außerhalb von Lukla befinden und seine Familie ist während der Saison hier in Kathmandu bei Bekannten. Er selbst, wie auch alle anderen aus der Mannschaft wohnen außerhalb der Saison einige Tage Fußmarsch entfernt von Lukla.

Ich habe gegen den Schlafplatzwechsel nichts einzuwenden, v.a. wenn man dafür eine Übernachtung in der Präsidentensuite der Lodge erhält, mit eigener Dusche und WC, sowie richtigen Betten.

Im Anschluss an das Mittagessen will ich das Trinkgeld an die Begleitmannschaft verteilen. Und hier ergibt sich ein wahrlicher krasser Unterschied zur Trinkgeldzeremonie am Kilimanjaro. Die Begleitmannschaften waren in beiden Fällen gleich groß, das Bruttosozialprodukt je Einwohner in beiden Ländern ist ähnlich, der übliche Tageswert für die Entlohnung eines Trägers pro Tag ist ähnlich und die Summe des Trinkgeldes ist auch fast gleich (am Kilimanjaro etwas höher). Aber: am Kilimanjaro gibt es das Trinkgeld für 6 Tage am Berg, hier in Nepal für 15 Tage an den Bergen (und ich habe mich bei der Trinkgeldmenge am oberen Vorschlagswert des Veranstalters gehalten). Am Kilimanjaro war es eine harte Verhandlungsarbeit nicht noch mehr zahlen zu müssen, hier in Nepal gilt Trinkgeld als Belohnung (gemäß dem Motto: “Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul”).

Das die Träger durchaus auch Englisch verstehen können, beweisen sie bei einem Ausspruch von mir unmittelbar nach der Trinkgeldübergabe. Meinen Satz “Wenn jetzt ein Räuber kommt, dann muss er das Geld bei Euch holen, ich habe nämlich jetzt fast kein Geld mehr”. Sie kapieren die Pointe des Spruchs schon während des Satzes, obwohl ich solche Pointen gerne ganz trocken ohne Gesichtsmimik von mir gebe. D.h. sie haben nicht gelacht, weil meine Gesichtsmimik einen Kalauer erwarten liese, sondern weil sie mein Englisch verstanden haben.

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Guide Ganesh mit seinen Kindern

Nach der Trinkgeldübergabe kommen auch die Familie von Ganesh zu Besuch, seine Frau mit dem 5 Monate alten Nesthäkchen und die beiden 8 und 9 Jahre alten großen Kinder. Auch die Träger verschwinden danach, um später wieder statt in Arbeitsmontur in ziviler Straßenkleidung zu erscheinen. Da ist es manchmal gar nicht so leicht, sie sofort wiederzuerkennen. Auch erhalte ich frisch gewaschen meine Ersatzhandschuhe zurück, die ich einen Träger seit unserer Gewalttour von Gokyo nach Phortse Thanga gegeben hatte.

Da am Flugplatz in Lukla noch reger Betrieb herrscht, will ich am Flughafenzaun das Treiben etwas zuschauen. Je nach Wolkenlage variiert die Anflugroute der Flugzeuge meist etwas, aber meist kommen die Flugzeuge in einem gleichmäßigen Gleitwinkel angeflogen. Nur bei einer Twin-Otter ist die Anflugroute gänzlich anders. Der Flugzeug ist einer Wolke ausgewichen und kann nicht mehr sauber in Landebahnrichtung eindrehen. Ich denke mir, o.k. es hat die Landung vermasselt, wird sie abbrechen und im senkrechten Winkel zur Landebahn durchstarten und wieder zurück nach Kathmandu fliegen.

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Flugzeuglandung in Lukla

Aber weit gefehlt: das Flugzeug fliegt versetzt parallel zur Landebahn in etwa 200m über Grund weiter und leitet eine Platzrunde entgegen den Uhrzeigersinn ein, der Scheitelpunkt der Runde liegt dabei fast direkt über mir, also nicht allzuweit vom nächsten Felsen entfernt. Den Rest der Platzrunde vollführt der Pilot wie nach Lehrbuch und die anschließende Landung erfolgt problemlos. In der Parkposition angekommen, wird die Ladung entladen, 2 Passagiere und viel Fracht.

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Und es geht doch! Flugzeug nach Platzrunde beim “kontrollierten Absturz” in Lukla

Zum Starten fahren die Flugzeuge fast bis zur Begrenzungsmauer am Ende der Startbahn, der einzige Bereich, der eben ist. Dann werden die Radbremsen betätigt und an den Turbinen volle Power gegeben. Eine etwaige Kopfbedeckung am Zaun in kaum 20m Entfernung zusehend sollte man sichern, der Wind der beiden Propeller ist doch heftig. Katapultartig starten dann die Flugzeuge in das 18%-ige Gefälle der Startbahn und heben meist schon nach geschätzten 300m von der Bahn ab.

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Flugzeugstart in Lukla

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Flugzeugstart in Lukla

Neben der Landebahn befindet sich auch ein Hubschrauberlandeplatz. Dieser wird von einem aus Richtung Namche kommenden Hubschrauber angeflogen. Er fliegt in geringer Höhe parallel zu Landebahn ein und setzt dann zur Landeposition über. Nach dem Stillstand der Rotorblätter gibt es plötzlich ein hektisches Treiben und ich sehe wie jemand mit einer Trage um die Landebahn herum zum Flughafenterminal getragen wird. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der in solch einer Lautstärke, Intensität und Hilflosigkeit einen Dauerhustenanfall hatte wie die männliche Person auf der Trage.

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Hubschrauberlandung in Lukla

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Lukla - Flughafenterminal

Zum 5-Uhr-Tee bin ich nach einem Stadtrundgang wieder in der Lodge. Schon während des Tages hatte ich mich gewundert, dass einer aus meiner Küchenmannschaft mit einem Löffel Eigelb in einer Schüssel geschlagen hatte. Zum Tee sehe ich das Ergebnis daraus, es sind die Plätzchen zum Tee. Ich hatte mich schon während der Tour gewundert, zum Tee gab es einen Tag Kekse mit Brösel und am anderen Tag immer Plätzchen ohne Brösel, waren diese damals immer frisch zubereitet?

Vollends paff bin ich nach dem späteren Abendessen. Wie aus dem Nichts kommt Ganesh mit einem kompletten, frisch gebackenen Nußkuchen mit Zuckerglasur und Schokostreusel. Den Kuchen schaff ich nie und nimmer! So gibt es genügend Kuchenstücke für die ganze Mannschaft, Ganesh Kinder und auch noch für einige Lodgegäste. Auf deren Frage, ob ich denn wegen des Kuchens heute Geburtstag hätte, antworte ich: “Nö, meine Jungs haben mich heute nur auf Diät gesetzt!”.

So wird auch der Rest des angebrochenen Abends relativ kurzweilig. Morgen heißt es dann zeitig aufstehen, weil ich bereits mit dem 2.Flug nach Kathamandu zurückfliegen soll.

Tagesdaten: Start: Phakding 2730m ü.NN - 8:20 Uhr, Ziel: Lukla 2850m ü.NN - 11:35 Uhr, ↑452m, ↓235m

Aus 18 geplanten Trekkingtagen sind nur 15 geworden. Von den geplanten Aussichtspunkten war keiner möglich, dafür hatten wir aber bis auf zwei Tage fast nur allerbestes Wetter. Aus den geplanten etwa 7000 bis 7500 Höhenmeter sind mehr als 8500 Höhenmeter geworden. Wenn am nächsten Tag die Flüge nach Kathmandu stattfinden, dann werde ich noch 3 1/2 Tage in Kathmandu haben, die Zeit ohne den Lärm aus Fahrzeugen und Motoren wird aber dann wieder vorbei sein.

 

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