03.07 / Tag 19: Concordia Camp - Upper Baltoro (5000m ü.NN)

Unter normalen Bedingungen wären es vom Concordia Camp zum Shaqring Camp zwischen drei und vier Stunden Gehzeit. Am Folgetag würde dann vom Shaqring Camp der Weg zum gemeinsamen Basecamp der beiden Achttausender Gasherbrum I und II anstehen und noch am gleichen Tag wieder zurück zum Shaqring Camp.

Nach der ursprünglichen Tourplanung hätten wir im Gasherbrum I-II BC übernachtet und wären dann an einem Tag weiter zum Ali Camp vor dem Gondogoro La gewandert und hätten dort dann einen Ruhetag eingelegt. Diese Etappe zum Ali Camp hätte aber bis zu 11 Stunden dauern können.

Aus diesem Grund beschließen wir, heute über das Shaqring Camp hinauszuwandern und irgendwo auf halbem Weg zwischen Shaqring Camp und Gasherbrum Basecamp unser Lager aufzuschlagen.

Kurz vor 9 Uhr verlassen wir das Camp Concordia zunächst in östlicher Richtung bis wir eine Gletschermoräne finden auf der wir in südöstlicher Richtung den Upper Baltoro Gletscher entlangwandern können. Wir queren dabei die Bruchzone zwischen Godwin Austen und Upper Baltoro Gletscher und sehen linkerhand den K2.

Anschließend führt die Strecke in südöstlicher Richtung auf den Upper Baltoro Gletscher. Heute ist im Unterschied zu den letzten Tagen meist ein weißblauer Himmel mit Sonnenschein. Sonnenschein hier auf fast 5000m ü.NN bedeutet aber auch gefühlte Temperaturen in den 20-ern und es werden auch Überlegungen angestellt, kurzärmelig unterwegs zu sein. Schieben sich aber Wolken vor die Sonne, kühlt es schlagartig ab und die Temperaturen fühlen sich sofort wie kaum über 0°C an. Nur dieses “Spielchen” wiederholt sich zigmal über Stunden.

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Blick östlich vom Concordia Camp nach Südost zum Upper Baltoro Gletscher - der Weg verläuft im Hintergrund in Bildmitte links neben dem weißen Gletschereisfeld

Nach der Mittagsrast befinden wir uns auf dem Upper Baltoro Gletscher. Der Weg verläuft auf einer wohl kaum 100m breiten Mittenmoräne zwischen zwei riesigen und undurchdringbar wirkenden Eisfeldern.

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Upper Baltoro Gletscher: Blick nach Ost über das “Eisfeld” zum Gasherbrum-Massiv

Das Shaqring Camp ist, wie nicht anders zu erwarten war, wieder ein sehr in die Länge gezogenes Camp, direkt erkennbar an den in den Wind gebauten Steinansammlungen der Träger. Die Wasserversorgung erfolgt aus den neben den Moränen tiefer liegenden Eisfeldern.

Sogar noch hier auf dem Upper Baltoro Gletscher gibt es einen Stützpunkt der pakistanischen Armee, der natürlich nicht fotografiert werden darf. Erkennbar sind diese Lager immer an den Unmengen an leeren Treibstoffkanistern in der unmittelbaren Umgebung.

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Upper Baltoro Gletscher: Blick nach Nordwest auf Höhe des Shaqring Camps - rechts das Gasherbrum-Massiv - der höchste weiße Berg im Hintergrund ist der Pastore Peak

Das langgezogene eigentliche Shaqring Camp haben wir schon einige Zeit hinter uns gelassen, als Koch Karim und einer der Träger versuchen einen Weg durch das westliche Eisfeld am Upper Baltoro zu finden. Könnten wir den Gletscher hier oben schon queren, würde uns dies in den nächsten Tagen viele Stunden Umweg auf dem Weg zum Ali Camp ersparen. Im letzten Jahr gab es einen Weg durch das Eisfeld hier oben. Da sich aber die Eisbedingungen sehr schnell ändern können, muss dies in diesem Jahr nicht mehr so sein. Da wir noch sehr früh in der Saison sind, hat auch der “Buschfunk” noch keine Informationen dazu.

Karim und der Träger versuchen zwar für einige Zeit einen Weg durch das Eisfeld zu finden, kommen aber ohne einen Erfolg wieder zu uns auf das Dach der Gletschermoräne zurück und wir gehen anschließend weiter bergauf am Upper Baltoro Gletscher.

Gegen 15:15 Uhr beschließen wir, dass wir am aktuell erreichten Ort unser Nachtlager aufschlagen werden. Wir befinden uns etwa noch drei Stunden vom Gasherbrum Basecamp entfernt. Den ganzen Tag hatten wir keinen Gegenverkehr an Menschen und sowohl vor uns und hinter uns war niemand zu sehen.

Um 18 Uhr reißen dann die Wolken auf und gerade in Richtung Nord und Nordwest zeigen sich all die Eisgiganten des Karakorums von ihren besten Seiten.

Alle folgenden Bilder sind vom identischen Standpunkt aus fotografiert!

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Blick vom Upper Baltoro Gletscher nach Nordwest zum Muztagh Tower (7273m) und Skil Brum (7410m) im Hintergrund

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Blick vom Upper Baltoro Gletscher nach Nordwest zum Skil Brum (7410m) und den bisher noch unbestiegenen Summa Ri (7302m)

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Blick vom Upper Baltoro Gletscher nach Nordwest zum Skil Brum (7410m) und den bisher noch unbestiegenen Summa Ri (7302m)

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Blick vom Upper Baltoro Gletscher nach Nordwest zum Muztagh Tower (7273m)

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Muztagh Tower (7273m)

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Blick vom Upper Baltoro Gletscher nach Nordost zum Gasherbrum VII (6940m, Spitze in der weißen Wand) und rechts daneben der Gasherbrum V (7147m)

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Blick vom Upper Baltoro Gletscher nach Südost: Baltoro Kangri (7302m), davor biegt links der Abruzzi Gletscher ab, rechts im Bild der North Chogolisa Gletscher vom 6756m hohen “weißen” Kondus kommend

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Upper Baltoro Gletscher: Blick nach Süden: Chogolisa (7668m, Bildmitte), wegen der Gipfelform oft auch als der “höchstgelegene Dachgiebel” der Welt bezeichnet

Nach diesen wunderschönen Panoramablicken lassen wir uns das von Koch Karim tagtäglich vorzüglich gekochte Abendessen schmecken. Aufgrund der wenigen Wolken ist heute eine sehr kalte Nacht zu erwarten.

04.07 / Tag 20: Upper Baltoro (5000m ü.NN)

Den heutigen Tag will ich als Erholungstag nutzen, Inna will mit Hamid und Purman zum Gasherbrum Basecamp und darüber hinaus wandern. Denn beide über 8000m hohen Gasherbrums gibt es erst etwa eine halbe Stunde Trek nach dem Gasherbrum Basecamp zu sehen. Der Gasherbrum I ist auch schon einige Zeit vor dem Gasherbrum Basecamp einsehbar. Wegen seines “Verstecktseins” hat der Gasherbrum I auch oft den Namen “Hidden Peak”.

Für mich bedeutet dies zwar, dass ich den 8068m hohen Gasherbrum I heute nicht zu Gesicht bekomme werde, dafür ihn später vielleicht vom Gondogoro La aus.

Ich will die heutige “Freizeit” dazu nutzen, meinen beiden noch an den Fersen von den Folgen der Blasen gekennzeichneten Füßen eine Erholung zu gönnen. Auch will ich an meinen Bergstiefeln im Bereich der Fersengegend etwas weniger starr machen.

Bei leichteren Schuhen knickt man dazu mit den Handballen den Fersenbereich des Schuhs mehrmals um, dies funktioniert aber bei Bergstiefeln nicht. Hier muss ich dazu meinen Eispickel benützen, indem ich das Blatt des Eispickels mehrmals gegen den Fersenbereich des Stiefels drücke bis dieser bereits fast an der Sohle anliegt. Schon nach zehn Versuchen wird die Schuhrückseite deutlich weicher. Bei einem “Probelauf” mit den Schuhen kann ich mich vom Erfolg der Maßnahme überzeugen, auch wenn diese Maßnahme bei mir noch nie bei Bergstiefeln notwendig war.

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Upper Baltoro Gletscher: Undurchdringlich wirkende Eiswelten

Ich sehe heute niemanden aus unserer Mannschaft, der versucht eine Route durch das westliche Eisfeld zu finden und vermute deshalb, dass es hier oben keine gibt und wir die lange Strecke bis fast nach Concordia zurückgehen müssen, um ins Ali Camp gelangen zu können.

Bis in die Nachmittagsstunden hinein ist es sehr sonnig und somit auch sehr warm, aber je später der Tag, desto mehr nehmen auch die Wolken wieder überhand.

Da das Hallo-Sagen im Basecamp bei den verschiedenen Expeditionen an den Gasherbrums doch einige Zeit in Anspruch genommen hat, kommen unsere drei Wanderer erst am sehr späten Nachmittag wieder ins Lager zurück.

05.07 / Tag 21: Upper Baltoro - Shaqring Camp (4850m ü.NN)

Vorgestern hatten wir noch keinen Durchgang durch das westliche Eisfeld des Upper Baltoro Gletscher gefunden, um eine deutliche zeitliche Abkürzung bis zum Ali Camp zu finden. Übernacht hat es hier oben Neuschnee gegeben, beim Blick in Richtung des gut 200 Höhenmeter niedriger gelegenen Concordia Camp ist eine Schneefreiheit auf dem Gletscher zu sehen.

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Upper Baltoro Gletscher: Blick nach Westen zum Vigne Gletscher

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Eishöhle

Wir starten unseren Weg den Upper Baltoro Gletscher talwärts. Nach gut einer Stunde legen wir eine Rast ein. In dieser Zeit versuchen zwei Träger einen Weg durch das westliche Eisfeld zu finden. Dieses Unterfangen nimmt einige Zeit in Anspruch.

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Irgendwo hier geht der Weg zum Vigne Gletscher und Ali Camp

Die Suche der beiden Träger nach einem Weg durch das Eisfeld ist mit einem Erfolg gekrönt. Nur das Wetter verschlechtert sich jetzt wieder, es beginnt zu regnen. Zunächst leicht und dann immer stärker. Wir beschließen, heute nicht mehr weiter bis zum Ali Camp zu gehen, sondern am nächstmöglichen Platz unser Lager aufzuschlagen und auf Wetterbesserung zu warten.

Während einer Mischung aus Schneefall und Starkregen bauen wir die Zelte am Südostrand des Shaqring Camps auf. Koch Karim wirft den Kerosin-Brenner im Kochzelt an, damit sich alle schnell wieder aufwärmen können. Im Zelt lässt sich das Wetter aushalten, denn außerhalb beginnt wieder der Schneefall.

Schon während der Suchzeit der Träger nach dem Weg hatte ich das ungute Gefühl, warum wir eigentlich nicht komplett zurück ins Concordia Camp gehen. Aktuell kann ich mir aus diesem Unwohlsein noch keinen Reim machen, dafür aber Morgen umso mehr. Nur diese Geschichte kenne ich heute noch nicht.

Das heutige Abendessen verzögert sich zeitlich etwas, da alle anscheinend noch Vorbereitungen für die Feier meines Geburtstages machen und ich nicht vor dem Essen in das Koch- und Esszelt eintreten darf.

Es gibt ein normales Abendessen und heute als Nachspeise zunächst ein Ständchen von allen aus der Mannschaft zu meinem Geburtstag. Den von Koch Karim gebackenen Geburtstagskuchen teilen wir dann durch alle 12. D.h., 7 Träger, HAP Purman, Koch Karim, Guide Hamid, Inna und Ich. Koch Karim erklärt mir auch, wie er hier nur mit einem Kerosin-Kochbrenner einen Kuchen backen kann: er backt den Kuchen in einem offenen Topf, der sich in einem geschlossenen Topf auf dem Kerosinbrenner befindet.

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Geburtstagskuchen im Koch-/Esszelt, (c) by Inna

Nach der “Geburtstagsfeier” geht es zur Nachtruhe in das Zelt. Aufgrund all der kleinen Wehwehchen der letzten Tage (Ödeme an drei Fingern, Verletzung an einer der Fingerkuppen, Handgelenksprellung rechts, zwei angestoßenen Zehnägeln und den Hinterlassenschaften der Blasen an den Fersen) ist es jedes Mal wieder eine neue Herausforderung, mit welchen Verrenkungen man in das Zelt hinein oder aus dem Zelt heraus gelangen kann. Heute schmerzt auch noch aus nicht erfindlichen Gründen das rechte Knie noch etwas. Wenigstens lösen sich die ersten Grinde vom rechten Unterschenkel ein positives Erlebnis.

Dass diese gesundheitlichen “Wehwehchen” noch die Ruhe vor dem ganz großen Sturm sein werden, der dann ab morgen mit voller Wucht seinen Anlauf nehmen wird, davon weiß ich aktuell noch nichts.

 

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