Tag 18 Nachmittag: Corumba - Puerto Suarez - Santa Cruz

Mit dem Grenzübertritt nach Bolivien verlassen wir das einzige portugiesisch sprechende Land in Südamerika, aus dem Obrigado für Danke wird wieder Gracias.

Dass sich dabei auch die Sitten der einzelnen Länder ändern, lässt sich gleich an der bolivianischen Grenzkontrolle nachvollziehen. Von Computer keine Spur, geschweige denn Formblätter, die Namen werden von einem Grenzbeamten säuberlich auf ein weißes Blatt Papier geschrieben, der Zweite passt auf, dass sich die Rechtschreibfehler in Grenzen halten. Und der Nächste passt mit seiner Kokabacke auf, dass der Vorhergehende richtig aufpasst. Soviel zum Thema Bürokratie und Beamteneffizienz in Bolivien, denn Rest kann sich jeder selbst denken.

Unter den Augen eines Grenzbeamten versuchen auch schon die ersten Geldwechsler die bolivianischen Pesos, gefertigt wahrscheinlich auf Butterbrotpapier, unter die Leute zu bringen.

Ansonsten ist die Kontrolle relativ unkompliziert. Schon können wir in Richtung Flughafen in der Grenzstadt Puerto Suarez starten.

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”Liebling, ich hab den Käfer geschrumpft” - am Flughafen in Puerto Suarez

Eigentlich sollte es heute irgendwann (da legen sich die bolivianischen Fluglinien nie ganz so fest) die 600km in Richtung Santa Cruz weitergehen, tumultartige Szenen vor dem Check-in-Schalter bei unserer Ankunft lassen aber Fürchterliches ahnen. Nach kurzer Rücksprache unserer Reiseleiterin Nervin steht aber fest, unser Flieger geht nach Santa Cruz, die Tumulte haben andere Gründe.

Wahrscheinlich ein Gruppe Feministinnen (meist “gestandene” Weibsbilder im besten Lottoalter, d.h. 49 plus Zusatzzahl) von einem Kongress in Santa Cruz kommend wollen von Santa Cruz aus nach Sao Paulo in Brasilien, wo unser Flieger eigentlich herkommen sollte. Unter dem Vorwand, dass man in Puerto Suarez nachtanken müsse, wurde eine Zwischenlandung eingelegt. Anschließend wurde ihnen mitgeteilt, dass der Weiterflug nach Sao Paulo gestrichen sei und der Flieger, eine nicht mehr ganz so neue Boeing 727-100 der Aerosur, wieder nach Santa Cruz, dem größten Flughafen von Bolivien, zurückfliegen werde. Das Ganze wäre ja nicht so schlimm für die Frauenmeute, aber es gibt nur 2 Flüge (in der Woche!).

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Die Boeing 727-100 der Aerosur in Puerto Suarez

Mit gehöriger Verspätung startet das Flugzeug, trotz des äußerlichen Alters innen mit einer modernen Ausrüstung (fast schon Lan Chile Niveau). Dass man es mit dem Druckausgleich nicht so genau nimmt, werde ich am Abend am Spiegel in meiner Dusche im Hotel in Santa Cruz ablesen können. Wie Hieroglyphen verteilt sich gut 15% meines Duschgels auf der Glasfläche.

In Santa Cruz angekommen, gibt es ein Wiedersehen mit Reiseleiter Marc und unserem Reise-LKW. Der weitere Weg heute führt uns auf kurzem Wege zum Hotel in Santa Cruz, es ist ja schon nach 20 Uhr.

Tag 19: Santa Cruz - Amboro Nationalpark - Samaipata

Schon nach dem Frühstück verlassen wir Santa Cruz (und vorher bei der Morgentoilette etwa 5 Zecken aus dem Pantanal unter meiner Mithilfe meine Haut), die Wirtschaftsmetropole von Bolivien. Unser Weg führt uns heute in Richtung Samaipata, vorher wollen wir aber noch eine ausgedehnte Wanderung im auf der Fahrtstrecke gelegenen Amboro Nationalpark unternehmen.

Nach Santa Cruz verlassen wir das bolivianische Tiefland, um in den 300-2500m hoch gelegenen Nationalpark zu gelangen. Unsere Wanderung führt von der Hauptverbindungsstraße entlang eines Forstwegs auf ein “Hochmoor”. Da wir bis hierher schon gut 350 Höhenmeter gewonnen haben, verlässt uns schon ein Teil der Gruppe aus Ausdauergründen.

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“Hochmoor” im Amboro Nationalpark

Der Rest geht die Strecke weiter bis zum bitteren Abstieg in Richtung Rio Colorado (“roter Fluss”), ohne dabei nicht zu vergessen (typisch fränkische Doppelverneinung), bei einem Gang durch eine hochgewachsene Wiese genügend Zecken aufzusammeln. Reiseleiter Marc und ich haben sicherlich jeder so seine 300-500 Zecken in allen Größen und Lebenslagen aufgesammelt. Bis wir die wieder von der Hose runterbekommen, da geht die ganze Mittagspause drauf. Aber keiner von der Zeckenmeute hat den Mut gehabt, sich länger in meiner Nähe aufzuhalten.

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Amboro Nationalpark

Nach dem sehr steilen Abstieg in das Flussbett des Rio Colorado wandern wir mehrmals den Fluss kreuzend und auch manchmal in ihm die Strecke zu unserem Anfangspunkt zurück. Da ich mir vorgenommen habe die letzten 3km barfuß zu laufen (damit die Tevas später trocken sind) lässt sich ein gut 1cm langer Dorn nicht davon abhalten, mir die nächsten Tage das Auftreten auf den vorderen Fußballen zu erschweren, indem er gut 1cm unter die Oberfläche eindringt. (und man tritt ja bei jedem Schritt drauf).

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Flusswanderung am Rio Colorado im Amboro Nationalpark

Anschließend fahren wir weiter zu unsrem herrlich gelegenen Campingplatz auf der Strecke nach Samaipata, mitten in der Bergwelt, ein Gebiet auf der “Ruta del Che”, der Aufenthaltsstrecke von Che Guevara in Bolivien. Ob man ihn nun als Möchtegern Weltverbesserer oder einen verkappten Freiheitskämpfer bezeichnen möchte, einzig sein Konterfei mit Baskenmütze ist das meistreproduzierte Bild der Neuzeit. Hätte er seinerzeit gegen Kommunisten gekämpft, würde sich heute keiner mehr an ihn erinnern.

Tag 20: El Fuerte de Samaipata

Die Eigenheiten der bolivianischen Automobiltechnik werden wir heute beim Besuch der 2000m hochgelegenen Ausgrabungsstätte von El Fuerte de Samaipata erleben dürfen. Mit dem LKW wäre die abenteuerliche Fahrt viel zu anstrengend und die örtlichen Taxifahrer wollen ja auch was verdienen. Nur ihre partiell fahrbaren Untersätze haben auch schon bessere Zeiten erlebt.

Mangels fester Straßenverbindungen aus Brasilien werden die meisten Autos über den Freihafen von Arica in Chile importiert, was eine Vorherrschaft japanischer Automobilmarken bedingt. In Bolivien unterliegen diese Autos einer Zweitverwertung, im ersten Leben waren sie Rechtslenker in Japan. Aber Bolivien hat Linkslenker, Bolivianer können jedoch improvisieren.

Der Lenker wird einfach nach links versetzt und im alten Armaturenbrett klafft nun ein Loch. Motorengeräusche sind nicht mehr zu hören, die Klappergeräusche sind einfach lauter. Auch die Teppiche am Fußboden haben eine Zweitfunktion übernommen, sie dienen dem Verdecken von armdicken Rostlöchern im Boden.

Auf abenteuerlichen Serpentinen fahren wir immer weiter in die in den Bergen hängenden Nebelschwaden.

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oben: Aussicht auf die Aussichtsplattform der El Fuerte de Samaipata - unten: Das wäre zu sehen gewesen

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Landschaft in der Nähe von Samaipata

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Landschaft in der Nähe von Samaipata

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Landschaft an der Ruta del Che

In Corumba hatte mich noch der Rest der Gruppe ausgelacht, als ich ihnen gesagt hatte, dass laut Wetterbericht in den nächsten drei Tagen ein Temperatursturz von bis zu 25°C (auch im Pantanal) anstehen würde. Aber aus dem Märchen wurde Realität und oben angekommen lässt sich die Ausgrabungsstätte von Samaipata nur erahnen. Gleiches gilt für die Vorstellungen der Forscher über den Verwendungszweck dieser Anlage vor 2000-500 Jahren.

Tag 21: Samaipata - Pena Colorada

Von den Vorzügen von partiell schlaglochbefreiten Teerstraßen dürfen wir uns heute verabschieden, denn die Hauptverbindungsstrecke von Santa Cruz über Samaipata nach Sucre, der Hauptstadt von Bolivien, ist 50km nach Samaipata meist nur noch ein drittklassiger Feldweg.

Die Befahrbarkeit solcher Strecken bzw. die Durchschnittsgeschwindigkeit ist stark davon abhängig, wie lange es her ist, dass der Gräter zum letzten Mal diesen Weg gesehen hat, d.h. sie schwankt zwischen Nervenzusammenbruch und 40-50km/h. Auch die “Straßenführung” ist so ziemlich dem Gelände angepasst, z.T. bis zu 20 Kurven auf einem Kilometer.

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Auf der Hauptstraße in die Hauptstadt Sucre

Die vorgenannten Gegebenheiten ist auch der Grund, warum wir die eigentlich nur 400km lange Fahrt nach Sucre auf zwei Tagesetappen verteilen. Aufgrund der vielen Kurven und Kehren hat man das Gefühl, dass sich langsam Blasen auf den Arschbacken bilden, da man immer hin- und herrutscht.

Diese Probleme haben die Benutzer von bolivianisch öffentlichen Verkehrsmitteln nicht. Sie sitzen auf der Ladefläche oder auch oben drauf und nehmen so ihre Reise in Angriff. Man hat hier auch schon Lkws gesehen, wo ganze (lebende) vierbeinige Schweine auf dem Dach angebunden waren.

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öffentlicher Nahverkehr auf bolivianisch

So gestaltet sich die heutige Reise ziemlich abwechslungsreich. Schon kurz nach der Abfahrt hat ein Schaniergummi an der Weinkiste versucht, unsere Getränkebestände zu dezimieren, was aber nur teilweise gelang. Einer von uns konnte die umherfliegenden Weinflaschen noch rechtzeitig umlenken.

Bringt man nicht gerade eine Spitzkehre hinter sich, so führt die Wellblechpiste auch durch grüne Flusstäler, umrahmt von den farbenfrohen Bergen des Umlandes.

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farbenfrohe Landschaften

Am späteren Nachmittag erreichen wir unser heutiges Tagesziel, einen Kakteenwald in der Nähe von Pena Colorada. Hier werden wir letztmals auf dieser Reise unsere Zelte aufbauen. Da der Boden sehr dornenreich ist, ist es sehr ratsam, den Platz unter dem Zelt sehr exakt zu reinigen.

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Kakteenwald und Nachtlager bei Pena Colorada

Durch genügend gesammeltes Feuerholz und gesammelte Erfahrungen wie man dornenbehaftetes Holz nicht transportieren sollte, reicht es heute Abend zu einem ausgiebigen Lagerfeuer.

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Lagerfeuer

Tag 22: Pena Colorada - Sucre

Da die eigentliche heutige Fahrtstrecke sehr kurz ist (und es trotzdem 20 Uhr werden, bis wir in Sucre sind), starten wir heute etwas später.

Zunächst führt uns die Fahrt an einen Bauernhof vorbei, wo wir einen kurzen Besuch abstatten, um auch von den hiesigen Lebensverhältnissen wenigsten einen kleinen Einblick bekommen zu können. Manch einer verschenkt hier schon sein überflüssig gewordenes Gepäck.

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Bauerhof auf dem Weg nach Sucre

Weiter geht es über Aiquile in Richtung Sucre, immer noch auf Schotterpisten. Eigentlich könnten wir jetzt gemütlich weiterfahren, nur der Dieselvorfilter unseres Lkws ist da ganz anderer Meinung.

Reiseleiter Marc hatte kurz nach der bolivianischen Grenze sauber ungefilterten Diesel getankt, was dieser mit Verstopfungen antwortete. Nach ein paar hundert Kilometern war das Problem eigentlich vorbei, aber jetzt geht es in die Höhe, da Sucre auf fast 2800m liegt.

Und diese Höhe lieben die verschleimten Poren des Filters überhaupt nicht. So steht nun alle 30min eine komplette Filterreinigung an, bis später vielleicht in Sucre der Dieseltank geleert werden kann, denn zwischen Samaipata und Sucre gibt es keine Tankstelle, die nur im entferntesten einfachen mitteleuropäischen Ansprüchen genügt.

Aber irgendwann kommen wir doch noch bei Einbruch der Dunkelheit in Sucre an . Da die Straßen aber zu eng sind, um mit dem LKW vors Hotel zu fahren, organisieren wir uns mehrere Taxis. Ob wir da mit all unserem Gepäck vollständig ans Ziel kommen, lassen wir uns überraschen.

Tag 23: Aufenthalt in Sucre - Potosi

Den heutigen Vormittag können wir zu einem Rundgang in der Hauptstadt von Bolivien nutzen. Der Regierungssitz ist aber im weit entfernten La Paz. Überrascht bin ich, dass einerseits auf 2800m Palmen wachsen und andererseits vor dem Parlament keine bolivianische Flagge weht.

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Nicht auf Hawaii und nicht in der Südsee fotografiert, Sucre - Palmen auf 2800m Höhe

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An der Plaza 25 de Mayo

Noch vor einigen Monaten war die Stadt Sucre Mittelpunkt von bürgerkriegsähnlichen Unruhen in Bolivien, laut unseren beiden Reiseleitern war aufgrund hunderter Straßensperren kein Entrinnen aus der Stadt für mehrere Tage möglich. Sie mussten die Reise hier beenden und den Reisegästen ein geändertes Programm in Rio de Janeiro in Brasilien anbieten.

Auch wenn Bolivien das ärmste Land in Südamerika ist, von zwei Sachen haben sie sehr viel:

Zeit und Steine.

Die Mittagshitze lässt sich aber auf der Terrasse von unserem Hotel mit dem Ausblick auf die Stadt problemlos ertragen.

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Sucre - die weiße Stadt - Hotelterrasse

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Sucre - die weiße Stadt - Hotelterrasse

Eigentlich wollten wir schon mittags weiterfahren, aber gewisse unvorhersehbare Ereignisse haben unsere Abreise bis fast 16 Uhr verzögert. So wird es auch heute wieder dunkel sein, bis wir in der mit Lhasa in Tibet höchstgelegenen Großstadt der Welt ankommen werden.

Die 120.000 Einwohner zählende Stadt Potosi liegt auf gut 4200m Höhe. Wie wird es da mit der Höhenverträglichkeit, wie dünn ist da die Luft? Alles Fragen die einem im Vornherein beschäftigen, dass mich ein grippaler Infekt ganz andere Strapazen ausstehen lässt, davon kann ich heute noch nichts ahnen.

Auf der Fahrt nach Potosi gibt es auch eine etwas überdimensionierte Brücke zu sehen, was das Bild zeigt.

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Sucre -Potosi - für was ist diese Brücke gebaut worden?

Wieder mit Taxis bahnen wir uns den Weg in Potosi zum Hotel.

 

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