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Tag 26: Salar de Uyuni

Heute ist es endlich soweit, es geht dorthin, wo man meinen könnte, dort wurde das Persilweiß erfunden. Denn das Weiß des größten Salzsees der Erde, dem Salar de Uyuni, wird bestenfalls noch von “Ariel” oder dem “Weißen Riesen” übertroffen. Den ganzen Tag wollen wir uns für dieses Naturschauspiel Zeit nehmen.

Salarklein

auf das Bild klicken - 360° Panorama vom Salar de Uyuni (händsich zusammengefügtes Panoramabild von 2005 aus 16 Einzelbildern mit fast 40 Megapixel. Autostitch und PSE sträuben sich gegen ein neues Panoramabild)

Gut 12.000 qkm ist seine Fläche, seine Salzschicht ist bis zu 7m dick, gerade mal 15cm Salzdecke würden schon ausreichen, einen LKW tragen zu können.

Um auf den Salzsee zu kommen, bedarf es sogenannter Auffahrten, denn nur an bestimmten Stellen ist die Salzdecke am “Ufer” des Sees tragfähig. Eine der wenigen Auffahrten ist bei der Ansiedlung Colchani. In den Tagesstunden kann man hier auf das brettebene Salzbett gelangen, nachts ist es zu gefährlich, weil auf dem Salz sich das am Tage geschmolzene Wasser sammelt.

Bereits am Ortsrand von Colchani sind die ersten Arbeiter einer Salzkooperative damit beschäftigt mit der Schaufel einen LKW mit Salz zu beladen.

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“Radlader” auf bolivianisch - Arbeiter einer Salzkooperative

Noch vor dem Salzsee steht der neue Salzpalast, der Palacio del Sal, die bolivianische Antwort auf das schwedische Eishotel.

Die erste Strecke des Salzsees ist noch einfach zu bewältigen, denn das alte und erste Salzhotel dient als Orientierungspunkt. Und dort wollen wir mal kurz vorbeischauen. Da aber für das Betreten Eintritt verlangt wird bzw. Kaufzwang im Souvenirshop besteht, sehen wir davon ab.

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Salzloch mitten im Salar de Uyuni am alten Salzhotel

Aber wie kann man sich nun auf solch einer ebenen Fläche ohne Abwechslung bis zum Horizont orientieren? Von Wolken am Himmel ist auch nichts zu sehen. Da wir vorhaben, eine dreieckartige Strecke abzufahren, dient als erster Fixpunkt für die nächsten 80km der Vulkan Cerro Tunapa im Norden des Sees.

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Salar de Uyuni - Blick auf den 5400m hohen Vulkan Cerro Tunapa

Das Weiß auf dem See ist einfach gigantisch. Genaugenommen müsste es gigantisch sein, aber meine Sonnenbrille mit Gläsern der Kategorie 4 geben natürlich eine andere Farbe wieder. Wie hell es hier ist, dazu eine kleine Beschreibung der Belichtungsverhältnisse der Fotos hier. Bei den meisten Fotos hat die Programmautomatik Blende 22 bei einer Belichtungszeit von 1/800s gewählt. Im deutschen Sommer ist man normal bei Blende 11 und 1/400s. Die einzelnen Salzflächen bilden lauter Sechsecke wie Bienenwaben, da mit dieser Anordnung am leichtesten eine Fläche abgedeckt werden kann.

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Salar de Uyuni - vom Trittschemel unseres LKWs aus aufgenommen

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Salar de Uyuni - ein Mann wie ein “Strich in der Landschaft”

Beim Blick in die Weite der Ebene verschwindet an manchen Stellen der Horizont . Dort wo man ihn sieht, ist die Sicht in die Ferne überwältigend. Man kann sogar im Westen die schneebedeckten Berge der Königskordillere erkennen. Ob es sich bei dem Vulkan im Südosten um den 5900m hohen Liconcabur bei San Pedro de Atacama (Chile) handelt, kann ich nicht zweifelsfrei sagen, die Richtung und Form passt in jedem Fall.

Mangels fehlender Orientierungspunkte gibt es auch Probleme mit der Perspektive. Im linken Bild schaut es beinahe so aus, als würde unser Fahrer Marc auf der Hand seiner Partnerin Nervin herumtanzen, in Wirklichkeit steht er nur gut 20m hinter ihr.

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Salar de Uyuni - falsche Perspektiven im wahrsten Sinne des Wortes

Um die Lautlosigkeit des Salars erleben zu können, entschließe ich mich, vor dem Mittagessen mich etwa 1-2km vom LKW zu entfernen. Man kann die Sicht auf den LKW ja nicht verlieren, denn da ist nichts, was einem die Sicht versperren könnte. Ich hab mich aber bewusst dafür entschieden, genau in die Richtung zu laufen, wo es keine Fixpunkte am Horizont gibt.

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Salar de Uyuni - Wo ist hier der Horizont geblieben?

Da das menschliche Auge versucht sich Orientierungspunkte zu suchen, schweifen meine Augen fast unmerklich immer nach rechts oder links ab. Wenn ich jetzt meine “Laufstrecke” auf GPS aufzeichnen könnte, da würden wahrscheinlich Zitterlinien wie beim Seismografen für ein Erdbeben herauskommen.

Und damit ist auch schon mein Forschergeist geweckt.

Stimmt das Ammenmärchen, dass man in der Wüste immer im Kreis herumläuft, ohne es zu merken?

Ich habe beschlossen in Längsrichtung von unserem LKW zu starten, die Augen zu schließen (man kann ja eigentlich nirgendwo dagegenlaufen und die Sonne steht fast genau über einem), 250 Schritte zu gehen und dann zu schauen, was passiert ist.

Das Ergebnis des Versuchs ist für mich fast ein Schock: Binnen 250 Schritte bin ich eine 270°-Linksbogen gelaufen, 10m weiter und ich hätte unseren LKW eine Delle verpasst.

Eigentlich hätte ich ja erwartet, falls überhaupt eine Abweichung eintreten würde, dass es eine Rechtskurve werden würde, da mein linker Fuß etwas länger als sein rechter Kollege ist. Aber bei zwei weiteren Versuchen unter dem Gelächter meiner Reisegenossen das identische Ergebnis.

Interessanterweise führt der Versuch von weiteren Reiseteilnehmern fast zum gleichen Ergebnis, alle haben einen riesigen Linksdrall. Man könnte fast meinen das liegt an der Corioliskraft, läuft man dann nördlich des Äquators lauter Rechtskurven?

Nach dem Mittagessen und nach dem verzweifelten Versuchen von unserem Heinz-Rüdiger (Namen natürlich wieder geändert), beim Gruppenfoto nicht vom Selbstauslöser seiner Leica-Kamera überlistet zu werden und nach 5 Versuchen doch noch aufs Foto zu kommen, steuern wir den zweiten Punkt unseres “Dreiecks” an. Ziel wird die mitten im Salzsee gelegene Insel Isla Pescado sein. Die Fahrtstrecke dazu überwinden wir im Eiltempo, was die Tachonadel hergibt. Eine Radarfalle würde man ja schon eine Stunde vorher sehen. Und beim Briefmarkensammeleifer bolivianischer Postbeamten würde der Bußgeldbescheid nie deutschen Boden erreichen.

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Salar de Uyuni - Isla Pescado

Auf der Oase mitten im See wachsen bis zu 13m hohe Kandelaberkakteen, wie das linke Bild unschwer verrät. Erschaffen wurde die Insel in Urzeiten von Korallenriffen. Die Insel ist aber auch die Hauptattraktion der meisten Salzseebesucher, sodass man heute fast Platzkarten beantragen muss.

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Salar de Uyuni - Isla Pescado

Nach einem ausgedehnten Spaziergang (auf fast 3800m sollte man sich nicht übernehmen) machen wir uns weiter auf die dritte Etappe, die Anreise auf unser Tagesziel, den Palacio del Sal.

Palacio del Sal

Wenn man schon das Salz im Überfluss hat, warum soll man dann nicht gleich ein ganzes Hotel oder einen ganzen Palast mit diesem Baustoff fertigen?

Selbiges hat sich auch ein bolivianischer Hotelbesitzer (der Besitzer unseres Übernachtungshotels vom Vortag in Uyuni) gedacht und im Salar de Uyuni sein Salzhotel gebaut. Als Baustoff verwendete er die zu “Ziegelsteinen” ausgeschnittenen Salzblöcke des Salzsees.

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Der Palcacio del Sal bei Cochani

Da sein “erstes” Salzhotel zu klein geworden war, baute er in der Nähe ein neues und weit größeres Hotel. Er betrieb sein neues Hotel, Bediensteten überlies er die Führung des “alten” Hotels. Da aber beide Hotels Schwarzbauten waren und für die Entsorgung der Abfälle nicht gesorgt war, wurde der Betrieb dieser Hotels auf dem Salzsee untersagt.

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Das erste Salzhotel

Aus Frust über diese Anordnung hat er sein neues Salzhotel Salzblock um Salzblock wieder abgebaut und am Rande des Salar de Uyuni nochmals weit größer als Salzpalast genannt “Palacio del Sal” neu aufgebaut. Als Baumaterial für Wände, Möbel und Boden wurde fast ausschließlich nur Salz verwendet.

Und genau in diesem Hotel werden wir heute für eine Nacht nächtigen. Bereits beim Betreten des Eingangsbereichs sind wir von der Weitläufigkeit der Anlage mit fast 150 Betten überrascht, bei deren Bau bis zu 1 Million Salzblöcke geschnitten werden mussten bzw. immer noch werden.

Stühle und Tische sind aus Salzblöcken herausgeschnitten und wenn man etwas mehr Salz in der Suppe braucht, reicht es mit dem Messer etwas von der Tischkante abzuschneiden.

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Palcacio del Sal - Sitzecke

Auch das Bett ist aus Salz, selbstverständlich liegt noch eine normale Matratze zwischen Mensch und Salzblock. Zum Heizen wird ein Gasofen verwendet. Da beim Bau einiger Zimmer die Dachabdichtung noch nicht funktioniert hat, gibt es Zimmer, die an der Salzdecke wie Tropfsteinhöhlen ausschauen.

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Palcacio del Sal - Schlafzimmer

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Palcacio del Sal - Swimming Pool

Wie soll es anders sein, zum Abendessen gibt es in Salzbett gebackenes Huhn, das später überflüssig gewordene Salz kann sofort wieder als Recycling-Bodenbelag genutzt werden, was es zuvor auch schon war.

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”Teppichboden” als Würze für das Huhn

Da wir heute die einzigen Gäste sind, haben wir freie Auswahl bei den Sitzplätzen. Aufgrund der Größe des Essraums ist es schwierig diesen zu heizen, was auf 3600m Höhe nicht unbedingt von Vorteil ist.

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Palcacio del Sal - Hauptgang; Blende 32 und 2min Belichtungszeit

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Palcacio del Sal - Sitzecke; Blende 32 und 2min Belichtungszeit

Als Faustregel lässt sich in dieser Höhe fast sagen, dass die Nachttemperaturen etwa in Minuswerten + 10°C den positiven Tageswerten entspricht. Hat es wie bei unserer Vorgruppe gut +30°C tagsüber, dann versulzt der Diesel im LKW bei Nacht und -25°C. Glücklicherweise haben wir einen Kälteeinbruch, d.h. 15°C tagsüber ergeben -8°C nachts, was aber der fehlenden Fließfähigkeit unseres Diesels im LKW einen feuchten Dreck interessiert.

Fest vermummt in vielen Fleece-Lagen nehmen wir unser Abendessen ein. Vorher können wir noch den herrlichen Sonnenuntergang am Salzsee genießen, da sich unser Hotel in der Nähe von Colchani an der Ostseite des Salar de Uyuni befindet.

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Palcacio del Sal - Wolkenformation

Tag 27: Cochani - Oruro

Unsere heutige Tagesetappe hat zwar nur 280km, die werden es aber in sich haben, denn wir verlassen die Disktriktgrenze von Potosi und kommen in den Bereich Oruro. Und an Grenzstraßen schaut man als Behörde kaum auf die Qualität der Verbindungswege.

Anders ist es nicht zu erklären, warum die ersten 150km der Fahrtstrecke in einem solch katastrophalen Zustand sind. Die Bombenkrater sind eine Beleidigung für einen jeden drittklassigen Feldweg bei uns. Und davon, dass auf der hindernisfreien Ebene eine Straßenverbindung auch mal mehr als 200m gerade sein kann ist anscheinend in diese Gegend hier noch nicht vorgedrungen. Hier kann man nicht mehr von unfähigen Straßenbaubehörden sprechen, hier war noch nie einer.

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“Highway No.1 to Uyuni” - und ewig grüßt das Schlagloch

Als wären die Schlaglöcher und Spurrillen noch nicht genug, so darf man auch noch einige Flüsse durchqueren, wobei gesagt werden muss, dass die “Durchkommquote” desto höher ist, je weiter man sich von der im Ursprungszustand dafür vorgesehenen Stelle entfernt. Ähnliches lässt sich auch für die Umfahrung von Sanddünen mitten auf dem Feldweg sagen.

Dafür wird man aber für diese Strapazen von der grandiosen Landschaft des bolivianischen Altiplano entschädigt.

Erst die letzten gut 100 km sind dann wieder geteert. So dauert es doch bis in den späteren Nachmittag hinein, bis wir in der Großstadt Oruro ankommen.

Bezeichnenderweise für ein Land wie Bolivien ist die Stadt Oruro. Mit mehr als 200.000 Einwohnern hat sie keinen einzigen Supermarkt! Brot gibt es nur beim Bäcker und Fleisch beim Metzger. Und ob die Versorgung mit Treibstoff sichergestellt ist, kann auch zu einer Lotterie ausarten.

Über all diese Tageserlebnisse können wir ungestört beim Abendessen in einem Restaurant reden.

 

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