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360°-Panoramablick (zum Vergrößern Bild anklicken) vom Cerro Cristales aus zum Torres del Paine Massiv, Frias Gletscher, Brazo Sur, Lago Roca, Brazo Rico, Perito Moreno Gletscher, Magellan Halbinsel, Lago Argentino, ...

Tag 10: Rio Gallegos - Calafate - Lago Roca

Heute werden wir die Atlantikküste verlassen und in die Gletscherwelt Patagoniens eintauchen, denn die Strecke wird uns an den Lago Argentino, dem größten See Argentiniens, führen.

Nach dem Besuch des Malwinendenkmals (die Malwinen sind der argentinische Namen der Falklandinseln) und dem Verlassen der Stadt Rio Gallegos, lässt die nun vorherrschende Landschaft erahnen, was im tiefsten Patagonien an Landschaft zu sehen sein wird. Die Landschaft wird eben werden, der Horizont weit und man möchte fast denken, dass die Wolken hier viel schneller als irgendwo anders ziehen.

Da man ja beim “Mitfahren” kaum beschäftigt ist, steht irgendwann der unvermeidliche “Eindöser” an, und wenn man dann die Landschaft betrachtet, dann ist diese die gleiche wie vorher, nur die Wolken sind anders. Man fühlt sich wieder Zuhause in Patagonien oder wie einmal später unser sächsisch-argentinische Reiseleiter auf der Halbinsel Valdez Don Pedro sagen wird: Patagönsche, lieb es oder lass es.

Da nun auch der ständige Wind unser Begleiter sein wird, ist nun wieder die richtige Technik bei den Pinkelstopps gefragt. Nach ein paar Tagen hat es aber auch der/die Letzte heraus: Hinterm Busch geht nicht, weil keiner da ist. Geschäftserledigung nur mit dem Wind, weil sonst kein Tropfen den Boden erreichen, sondern der Hose einen neuen Teint und Geschmack verleihen wird. Die Beine sollte man geschlossen halten, denn bei Windböen wird wieder kein Tropfen den Boden erreichen sondern nun der Oberbekleidung neue Farbtöne bringen.

Die Fahrtstrecke führt heute bis auf wenige Ausnahmen auf Schotterpisten, vorbei an vielen Zäunen von Schafestancias, auch wenn kaum Ansiedlungen bzw. Estancias selbst auszumachen sind. Mittagsrast machen wir am Aussichtspunkt der Ruta 40, der westlichen Nord-Süd-Verbindung in Patagonien. Anscheinend angezogen von unseren Essen schwebt auch ein Kondor kaum 50m über uns hinweg, ein imposanter Anblick des größten flugfähigen Vogels der Welt (es wird nicht der Letzte sein, den wir sehen werden).

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Kondor am Aussichtspunkt der Ruta 40 in Richtung Lago Argentino

Der Hauptort des Tourismus im südlichen Patagonien ist El Calafate, vom kleinen Örtchen in den letzten 15 Jahren zu einer 15.000 Einwohnerstadt gewachsen. Gut 2 Stunden werden wir uns dort die örtlichen Souvenirgeschäfte vornehmen, bevor wir weiterreisen werden.

Nichts ahnend schlendere auch ich durch die Einkaufsarcaden, bis ich eine Frauenstimme “Heinrich, bist Du es?” rufen höre. Verdutzt denke ich, wer kennt mich denn hier, der Stimme nach ist es niemand von unserer Gruppe. Es ist Petra, die Reiseleiterin von meiner ersten Patagonienreise, genauso überrascht wie ich.

Und wo Petra ist, da ist auch ihr Mann und Reiseleiter Frank nicht weit, dem werde ich auf der Weiterfahrt zum Lago Roca einen Schock verpassen. Denn dort treffen wir auf den Kondor-LKW der Gruppe der oben genannten Reise. Wie klein ist doch die Welt.

Unser Tagesziel ist heute der Campingplatz am Lago Roca, dem südlichen Seitenarm des Brazo Rico, der wiederum der südliche Ausleger des Lago Argentinos ist. Fallen im Ort Calafate im Jahr kaum 100mm Niederschlag, so werden es am anderen Ende des Lago Argentino oft mehr als 2000mm sein. So lässt sich auch erklären, dass sich fast nach jedem Meter die Vegetation verändert.

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Am Brazo Rico mit Blick in Richtung Anden

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Gelände(wagen)idylle zwischen Brazo Rico und Lago Roca

Unser Campingplatz liegt fast am Lago Roca. Da der Wasserspiegel des Sees aus Gründen, die ich auf der nächsten Seite erklären werde, bis zu 25m schwanken kann, gibt es noch eine Pufferzone dazwischen.

Nicht nur heute gewöhnungsbedürftig, sondern schon fast typisch für Patagonien ist das (ultra-)dünne einlagige Klopapier. Nach drei normalen Sitzungen ist eine Rolle verbraucht, und wenn man nicht aufpasst, dann sticht man auch mit dem Finger noch leicht ein Loch durch 20 Lagen Papier.

Tag 11: Aufstieg zum Cerro Cristales

Gut 1100 Höhenmeter werden geschafft sein, wenn wir am Gipfel vom Hausberg des Lago Roca, dem gut 1200m hohen Cerro Cristales erreicht haben werden. Aber vorher steht noch der teilweise mühsame Aufstieg bevor.

Der Einstieg beginnt an der Ruta 15 und verläuft zunächst noch sehr eben. Der erste Kilometer ist auch noch ein geologischer Wanderweg mit vielen Hinweistafeln. Aber dann heißt es ab in die Höhe. Bis zu einem Aussichtspunkt nach ca. 250-300 Höhenmeter geht es nun sehr steil nach oben. Da es nur eine “Laufrinne” gibt, die sich ergonomisch sehr unglücklich entwickelt hat, sind diese Höhenmeter die anstrengensten, weshalb hier schon wieder die halbe Gruppe umkehren wird. Auch ich bin am Überlegen, ob ich gleich wieder umkehren soll.

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Blick von einer Anhöhe am Lago Roca über den Brazo Sur zur Gletscherzunge des Perito Moreno Gletschers

Aber an diesem ersten Aussichtspunkt angekommen, lässt sich erkennen, warum man die Plagerei auf sich nimmt. Es bietet sich ein herrlicher Blick auf die südlichen Ausleger des riesigen Lago Argentino mit einem unverbaubaren Blick auf das blaue Wunder Argentiniens, den Perito Moreno Gletscher.

Je weiter man nach oben steigt, desto phantastischer wird der Ausblick. Was wird es erst zu sehen geben, wenn man ganz oben angekommen ist? Wer es nicht mehr erwarten kann, kann hier den 360°-Panoramablick schon mal anschauen.

An Schönsten, in den verschiedensten Farben blühenden Berghängen, entlang (siehe Bild links) geht es Meter für Meter nach oben, bis bei etwa 800-900m ü.N.N. die Baugrenze erreicht ist. Der weitere Weg geht nun über Geröllfelder bis zum ersten Gipfel. Über einen Sattel gelangt man nun zum eigentlichen Gipfel des Cerro Cristales, wobei jetzt schon zu sehen ist, dass die letzten 100 Höhenmeter sehr sehr steil werden.

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”Heide”-Landschaften am Lago Roca

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”Heide”-Landschaften am Lago Roca

Aber kaum oben angekommen, wird man für all die Mühen entschädigt. Der Panoramablick über 360° ist einfach überwältigend.

Im Südwesten ca. 30km entfernt, das chilenische Paine-Massiv, zwar etwas in Wolken aber deutlich erkennbar.

Im Uhrzeigersinn schweift der Blick weiter über den Frias Gletscher, den Brazo Sur, den Lago Roca, den Brazo Rico, den im Sonnenlicht liegenden Perito Moreno Gletscher und über allen thront im Hintergrund das nebelverhüllte chilenische Inlandseisfeld. Weiter geht der Blick zur Magellan-Halbinsel (bei wolkenlosen Himmel soll auch das 100km entfernte Fitz-Roy-Massiv im Panorama vertreten sein), dem sich der Lago Argentino anschließt. Über die Bergwelt südwestlich von Calafate stößt man wieder auf das Paine-Massiv.

Einfach nur ein nicht enden wollender Traum. (auf das Bild klicken)

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Blick vom Cerro Cristales in Richtung Torres del Paine Massiv

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Panoramablick vom Cerro Cristales in Richtung Perito Moreno Gletscher

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Nur feststellbar Jahre später mit einer Internetseite, welche den Horizont von einem landschaftlichen Punkt aus zeigt: Ganz vernebelt unterhalb von (1) - oberhalb des vermeintlichen Schneefeldes - ist der Gipfel des 141km entfernten Fitz Roy zu “vermuten”. Unter (2) ist ein ca. 2000m hohes Bergmassiv wenige Kilometer östlich von El Chalten, es ist 139km entfernt.

Und als wäre dies alles nicht schon genug, zur Brotzeit gesellt sich auch noch ein ca. 50-100m über uns schwebender Kondor.

Nur sollte man hier oben vorsichtig sein, denn der Wind bläst in Orkanstärke, sodass fast schon Festhalten am Gipfelkreuz angesagt ist.

Aber es gibt auch eine durch Steine windgeschützte Stelle, die wir zur Rast nutzen, bis nach gut einer Stunde der Rest der Gipfelbezwinger eintrifft.

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Kondor über dem Gipfel des Cerro Cristales

Auf gleichem Wege geht es wieder zu unserem Camp zurück, ein Tag mit sehr vielen wunderschönen und unvergesslichen Eindrücken.

Manchmal frage ich mich, wie Reiseveranstalter solche außergewöhnliche Kleinode finden, denn in den allermeisten Reiseführern ist diese Wanderung bzw. der Cerro Cristales überhaupt nicht zu finden. Danke an Kondor-Tours.

Und wer bekommt schon die Chance, auf einem Blick das Paine Massiv und den Perito Moreno Gletscher zu sehen, ohne dabei den Kopf drehen zu müssen.

 

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