Annapurna Circuit 2014
oder:
Der Annapurna Circuit, die Annapurnarunde bzw. der Annapurna Trek: wie aus einer Trekkingtour, die von “Insidern” gerne verächtlich als “Tea House Trek” oder auch als Synonym eines “Banana Pancake Trails” bezeichnet wird, ganz schnell eine eiskalte Fortsetzung von Jon Krakauers Tatsachenroman “In eisige Höhen” zur Everesttragödie von 1996 werden kann.
(Mittendrin im Schneesturmunglück am Thorong La am 14.10.2014)
Von links oben nach rechts unten: Gletschersee der Gangapurna (7455m) bei Manang, Annapurnakette oberhalb von Ghusang, Thorong La Pass (5416m) am 14.10.2014, Dhaulagiri (8167m) vom Poon Hill aus
Vorwort Wie berücksichtigt man in einem Reisebericht einen Reisetag, der so gänzlich aus dem Rahmen üblicher Tage bei mehrwöchigen Reisen fällt. Soll man den Bericht so verfassen, als wäre an diesem Tag nichts Besonderes gewesen, also “business as usual” oder soll man den Reisebericht nur um diesen Tag kreisen lassen. Ich denke ein vernünftiger Weg wird es sein, die Reise so zu erzählen, wie die Reise gewesen ist oder zumindest wie man in der Erinnerung meint, dass sie gewesen sei und die erlebten Geschehnisse an solch einem Tag so wiederzugeben wie man sie erlebt hat. Das linke untere Bild in der obigen Bildcollage lässt erahnen, um welches Ereignis es sich handelt (Mittendrin im schweren Schneesturmunglück am Thorong La am 14.10.2014). Vorgeschichte Nach 2013 bereits im Jahre 2014 wieder nach Nepal verreisen? Manche von mir für das Jahr 2014 ins Auge gefassten Reisemöglichkeiten scheiterten für mich v.a. an den mir möglichen Urlaubszeiträumen oder an wirklich schlechten Preis-Leistungs-Verhältnissen. Als eine Folge daraus beschränkte ich meine Reiseplanungen auf das Land Nepal und aufgrund der sehr guten Erfahrungen aus dem Vorjahr wieder auf die deutsche Agentur enjoy-nepal. Diese Tour in Nepal soll wieder als Ein-Mann-Gruppe im Zelt erfolgen, wobei in einer ersten Planung meine Wunschauswahl aus drei unterschiedlichen Reisegebieten besteht, aus Dhaulagirirunde, den Mera Peak oder die Annapurnarunde. Letztendlich habe ich mich dann für eine gut dreiwöchige Tour rund um das z.T. mehr als 8000m hohe Annapurnamassiv entschieden, auch “Annapurnarunde” genannt. Gegen eine Umrundung des Dhaulagiri sprach für mich die zu lange Zeit über 5000m ü.NN und die nicht optimale Jahreszeit im Oktober. Gegen den Mera Peak v.a. der Umstand, dass er doch zu nah an der letztjährigen Everestregion liegt. Die Annapurnarunde ist eine über 250km lange fast komplette Umrundung des bis zu 8091m hohen Annapurnamassivs auf Schusters Rappen entgegen dem Uhrzeigersinn, die bei vielen Wanderern zu den schönsten Trekkingtouren auf der Welt zählt. Vom subtropischen Tiefland auf 800m ü.NN bis in die Regionen des ewigen Eises auf über 5400m, von engen tiefen Tälern (das Kali Gandaki Tal auf der Strecke gilt mit fast 7000m - je nach Definition - als das tiefste Tal der Welt), unzähligen Vegetationsgebieten und Ausblicke auf die drei 8000er-Berge Annapurna I, Dhaulagiri I und Manaslu nebst der zugehöriger Verwandtschaft soll dort alles geboten werden. Um die Runde, die meist in Tälern oder an Tälern entlang verläuft, durchwandern zu können, muss als Schlüsselstelle der Gebirgskamm zwischen den Distrikten Manang und Mustang bewältigt werden. Im Normalfall bzw. am Einfachsten aus Belastungs- und Organisationsgründen ist dies die Route über den 5416m ü.NN hoch gelegenen Thorong La Pass. Dieser Pass ist “eigentlich”, von der Höhe abgesehen, eine bergsteigerisch einfache Angelegenheit, aber “eigentlich” kann manchmal “eigentlich” ganz anders sein.
Silhouette mit Hut unter dem Mond im Schatten vor dem Gangapurna-Gletschersee in der Nähe des Ortes Manang Eine weitere aber deutlich schwierigere Möglichkeit der Überquerung dieses Gebirgskammes zwischen dem Manang Tal und dem Kali Gandaki Tal ist der Weg zum angeblich traumhaft auf 4900m gelegenen Tilicho See und weiter dann über den Eastern und den Mesokanto La Pass. In meinen Planungen habe ich auch diese zeitlich längere aber von der Länge kürzere der beiden Routen berücksichtigt (Tilicho See) und diese als meine primär zu verwirklichende Route aufgefasst. Auf der Tilicho See Route gibt es aber z.T. keine Infrastruktur (Hütten) und eine Übernachtung findet auf 4900m zwischen zwei 5300m hohen kaum begangenen Pässen statt. Die meisten Trekker, welche zum Tilicho See wandern, kehren dort wieder um ins Manang-Tal, um anschließend die Standardroute über den Thorong La Pass fortzusetzen. Sollte die Tilicho See Alternative nicht möglich sein, dann würde ich über die “Standardroute” Thorong La Pass gehen.
Frühestmöglicher üblicher Startpunkt der Annapurnarunde ist der Ort Besisahar. Da aber z.Z. in der Nähe von Besisahar unter chinesischer Mithilfe ein Wasserkraftwerk gebaut wird, werden wir erst im 8km flußaufwärts gelegenen Bhulbhule starten, um anschließend das Tal des Marsyangdi Flusses von etwa 800m ü.NN bis zum Ort Manang auf 3500m ü.NN zu folgen, und dabei linksseitig immer das Annapurnamassiv vor Augen zu haben. Von Manang aus geht es entweder in Richtung Tilichio See oder in Richtung Thorong La Pass, entscheiden werden wir dies abhängig von den vorzufindenden Bedingungen vor Ort auf der Strecke. Beide Alternativen treffen im Ort Jomsom am oberen Ende des bis zu 7000m tiefen Kali Gandaki Tales (Anapurna I und Dhaulagiri I sind kaum 30km voneinander entfernt, und das Flußbett der Kali Gandaki liegt hier z.T. nur auf 1000m ü.NN) wieder zusammen. Im Kali Gandaki Tal wandern wir weiter zu Fuß bis nach Tatopani. Hier auf gut 1000m ü.NN wollen wir das Kali Gandaki Tal wieder verlassen und zum 3210m ü.NN gelegenen Aussichtspunkt Poon Hill zu wandern, der bekannt für sein einzigartiges Panorama auf die Bergwelt rund um Annapurna und Dhaulagiri ist. Anschließend führt uns der Weg ins Tal hinab nach Nayapul, wo die Annapurnarunde üblicherweise ihr Ende findet. Von hier fahren wir dann per Bus weiter nach Pokhara und später dann wieder zurück nach Kathmandu. Die internationalen Flüge werde ich wieder mit Qatar Airways, startend ab dem Flughafen München, durchführen. Zunächst hatte ich jedoch die Flüge mit Turkish Airlines ins Auge gefasst. Diese Alternative wäre billiger und in der Theorie auch zeitlich schneller gewesen, aber nach Recherchen im Internet hatte der Flug zwischen Istanbul <-> Kathmandu eine durchschnittliche Verspätung von fast 4 Stunden über einen Zeitraum von mehr als 2 Monaten. Und diese Verspätungen wären länger als die Transferzeiten in Istanbul gewesen. Aber wie kommt es nun dazu, dass viele Leute eine Runde um das Gebirgsmassiv der Annapurnas begrifflich zu den “Banana Pancake Trails” zugehörig einordnen. Sie erwähnen diesen Begriff meistens nicht, aber sie setzen ihn mit dem wirklich als “Banana Pancake Trail” bezeichneten “vollsten Trampelpfad der Welt” nicht unbedingt ungleich. Dieser Bananenpfannkuchenpfad befindet sich üblicherweise in Südostasien, benannt nach der Speise, die man überall auf dem Pfad bekommen kann. Aber wo nun liegt nun das Identische im Vergleich? Im gleichnamigen Buch “Banana Pancake Trail” (ISBN 978-3-499-62771-2) beschreibt der Autor Philipp Mattheis dieses Phänomen: Zunächst ist ein Pfad bzw. ein touristisches Ziel noch ein Geheimtipp. Damit ein Geheimtipp auch lange v.a. geheim unter Individualtouristen bleibt, steht dieser natürlich nur im Standardwerk (der B...l) für Individualtouristen, dem Lonely Planet Reiseführer. Mit der Zeit sinkt dann natürlich der Geheimheitsgrad solch eines Kleinods und immer mehr Touristen sind dann auf dieser Strecke unterwegs. Irgendwann droht dann der Massentourismus. Und Massentourismus ist ja das größte Übel von Individualtouristen, v.a. dann, wenn er vorher noch nicht da war. Aber allein schon die Nennung im Lonely Planet dürfte für solche Geheimtipps der Beginn des Endes als Kleinod bedeuten. Genau diese Evolutionsstufen soll in den letzten 30 Jahren auch die Annapurnarunde in Nepal durchlaufen haben. Aus angeblich hinterwäldlerischen Teehäusern und verschlungenen Pfaden um das Annapurnamassiv sollen ausgebaute Verbindungsstraßen und Lodges der zigsten Generation geworden sein. Und gerade zur Hauptsaison sollen dort auch extrem viel Trekker unterwegs sein. Wieviel davon stimmt denn nun wirklich? Das Ergebnis wird es auf den nächsten Seiten zum Lesen geben. Zunächst stellt sich aber die Frage, warum diese Tour im Zelt mit einheimischer Begleitmannschaft? Fast 100% der Trekker machen diese Tour als Lodgetour, d.h. die Übernachtungen finden in zu Übernachtungsstätten umgebauten Häusern statt. Führt man die Tour in organisierter Art durch, dann findet diese mit Guide und Träger(n) statt. Übernachtend im Zelt werde ich wahrscheinlich der Einzige an den meisten Tagen sein, aber: für 4 bis 5 Einheimische werde ich mit dieser Art der Tour eine gute Einkommensmöglichkeit bieten und auch die Lodgebesitzer werden an den “Platzmieten” für die Übernachtungsmöglichkeiten in Zelten vor oder hinten den Lodges verdienen können. Und irgendwie sind für mich solche Lodges oder nepalesische Berghütten irgendwie immer eine Art von “Legebatterie”. Tag 1 und 2: Anreise nach Nepal Da der Flug von München nach Doha im Emirat Katar erst am späteren Nachmittag startet, kann ich den heutigen Tag mit Ruhe beginnen lassen. Erst um die Mittagszeit lasse ich mich zum gut eine Stunde entfernten Flughafen in München fahren. Da heute ein Feiertag ist und die Großbaustelle an der Autobahn A9 nördlich von München noch nicht beendet ist, dauert die Anreise doch gute 90 Minuten. Bereits bei der Ankunft am Flughafen ist ersichtlich, dass die Boeing 787 der Qatar Airways bereits am Terminal angedockt hat. Der Check-In für den Flug ist in zwei Minuten erledigt, im Unterschied zum letzten Jahr fliegt Qatar Airways seit 2014 in München vom Terminal 1 ab. Auch das Boarding verläuft unkompliziert. Wie bereits in den letzten Jahren, bin ich auch dieses Jahr wieder in der Business-Klasse unterwegs. Im Flugzeug angekommen erfolgt die Begrüßung am Platz durch eine mit einem Tablet “bewaffnete” Stewardess. Damit ist es für die Stewardess natürlich ein Leichtes, den Passagier mit Namen zu begrüßen. Auch ist bekannt, dass ich fast 6 Stunden Transferzeit in Doha haben werde. Neu am Flugrouting ist dieses Jahr allerdings, dass die Landung in Doha seit August 2014 am neuen Flughafen erfolgt. Der gut fünfstündige Flug über die Türkei, Irak und auch noch etwas in den Iran hinein verläuft ohne besondere Vorkommnisse, sodass wir pünktlich in Doha landen. Wie schon im Flugzeug mitgeteilt, ist der Weg vom Ankunftsgate in Doha bis zur Sicherheitskontrolle für den Transferbereich sehr weit, auch mit den sogenannten Fahrsteigen dauert es einige Zeit. Nach der schnell erledigbaren Sicherheitskontrolle eröffnet sich dann die ganz große Flughafenwelt. Sei es der Duty-Free-Bereich oder andere Geschäfte, oder einfach nur der Weg in die Lounge für die Business-Klasse Passagiere. Da der Aufenthalt für Business-Klasse Passagiere dort kostenlos ist, geht mein Weg natürlich dorthin. Lounge am Flughafen Doha Am alten Flughafen war diese Lounge ein eigenes kleines Terminal, im neuen Flughafen ist sie integriert. Die Dimensionen der neuen Lounge sind aber riesig. Sie ist z.T. zweistöckig, hat zwei große Restaurants und viele Verpflegungsstationen, Ruhe- und Rückzugsräume und auch einen riesigen “Business-Center”. Das Bild links zeigt nur etwa ein Drittel der Größe der neuen Lounge, auf der Empore im Hintergrund befindet sich eines der beiden Restaurants. Lounge am Flughafen Doha Fast an jedem Sessel befindet sich ein bedienbarer Monitor an dem die Flüge und die Infrastruktur des Flughafens aufgezeigt wird. In solch einem Ambiente vergehen die folgenden Stunden natürlich kurzweilig, auch wenn es nun schon früh am Morgen ist. Um 4:25 Uhr soll dann der fast 5 stündige Flug nach Kathmandu starten. Der Weg zum Gate ist aber sehr weit, die Anzeige sagt 21 Minuten. Am Gate angekommen ist ersichtlich, dass es nicht über einen Terminalfinger in das Flugzeug geht, sondern mit einem Bus und hier wieder getrennt nach Klassen. Etwas überrascht bin ich, als der Bus nach 100m Fahrt wieder stehen bleibt, wir sind bereits am Flugzeug angekommen. Qatar Airways unternimmt diesen Flug mit einem Flugzeug der Airbus A320 Familie und einer Bestuhlung, die einer üblichen innereuropäischen Bestuhlung europäischer Fluglinien ähnelt. Das Boarding selbst ist schnell erledigt, auch wenn die Maschine ausgebucht ist und auch einige Personen ein Upgrade in die sonst fast leere Business-Klasse erhalten. Zeitig bewegen wir uns mit dem Flugzeug vom Standplatz weg und beginnen mit dem Rollen rückwärts zum Taxiway. Nur habe ich jetzt irgendwie die Vermutung, dass am Flugzeug der Vorwärtsgang klemmt, denn in den nächsten Minuten geschieht nichts. Dann kommt aber die Durchsage vom Piloten, dass es ein technisches Problem an der Maschine gibt und dieses am Gate überprüft werden soll. Nach einigen Minuten kommt auch Bodenpersonal ins Flugzeug und im kleinen Cockpit versammelt sich eine illustre Truppe zur Problemlösung. Mit einer Stunde Verspätung können wir in Doha starten, inzwischen ist es schon taghell geworden. Auch wenn ich einen Sitzplatz auf der linken Seite im Flugzeug habe, gibt es von der Himalaya-Bergkette heute fast nichts zu sehen, da die Flugroute zu weit südlich der Berge verläuft. Mit der aus Doha mitgebrachten Verspätung landen wir in Kathmandu bei schönsten Wetter, was für Kathmandu bedeutet: Sonnenschein und dazu eine sehr staubhaltige Luft. Die Einreise zieht sich dafür etwas hin, da zur Rushhour nur 2 Schalter für die Visums- und Einreiseformalitäten mit Beamten besetzt sind, aber nach einer Stunde ist auch dieses Unterfangen erledigt. Glücklicherweise ist auch mein Gepäck angekommen. Meine Trekkingstiefel hatte ich schon die ganze Anreise als zweites erlaubtes Handgepäckstück dabei, denn diese möchte ich ungern kurzfristig durch Neue ersetzen, für den Fall, dass sich mein Gepäck für ein anderes Routing entschieden hätte. Und stundenlang in bedingt steigeisenfesten Bergschuhen in Flughäfen herumzulaufen, ist auch nicht im Sinne des Erfinders. Die Anreise und Einreise nach Nepal ist geschafft, schau’mer mal wie sich die Reise weiter entwickelt.
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